Wenn ein Autor keine eigenen Ideen hat, greift er gerne auf Gedanken anderer, größerer Geister zurück. So auch Jakob Augstein in seiner Spiegel-Online-Kolumne »Im Zweifel links« vergangene Woche. Augstein sieht den Dritten Weltkrieg herannahen und beklagt, dass die Massen, anders als er, nicht dagegen aufstehen. Im Gegenteil: »Die Leute wollen gar keinen Frieden. Ohne Krieg fehlt ihnen was. Darum bereiten sie ihn vor.«
Die Gattung Homo sapiens, resigniert Augstein, hat einen Webfehler. Und er schließt mit einem Zitat des französischen Schriftstellers Louis-Ferdinand Céline: »Vor den Menschen, vor ihnen allein muss man Angst haben, immer.« Vielleicht weiß Jakob Augstein nicht, wer Céline war. Möglicherweise hat er das Zitat aus Büchmanns Geflügelte Worte herausgeklaubt.
Barbaren Deshalb hier ein bisschen Nachhilfe. Louis-Ferdinand Céline war einer der berüchtigtsten antisemitischen Hetzer des 20. Jahrhunderts. In seinem Buch mit dem Titel Die Judenverschwörung in Frankreich (1937) forderte er seine Landsleute auf, die Juden – »eine Kreuzung aus Niggern und asiatischen Barbaren« – zu vernichten.
»Alles was ihm über den Weg läuft zu plündern, rauben, pervertieren, beschmutzen, auszubluten, das ist die Begabung des Juden, sein Existenzgrund von alters her«, heißt es dort. »Sie sind Dummköpfe. Dreckige Arschlöcher, Juden eben. Alles Versager! Unersättliche Blutsauger!«
Das war nicht bloß literarische Überspitzung, wie manche Céline-Apologeten bis heute behaupten. Nach der von ihm begeistert begrüßten deutschen Eroberung Frankreichs 1940 kollaborierte der Autor mit den Nazibesatzern. Wobei die ihm, was die Juden anbelangte, anfangs zu zahm waren. Sein nicht gerade zartbesaiteter Schriftstellerkollege Ernst Jünger notierte in seinem Tagebuch 1941 entgeistert, dass Céline im Deutschen Kulturinstitut in Paris enttäuscht gewütet habe, »dass wir Soldaten die Juden nicht erschießen, aufhängen, ausrotten – dass jemand, dem die Bajonette zur Verfügung stehen, nicht unbeschränkten Gebrauch von ihnen macht«. Célines Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen.
Walser Das also ist Jakob Augsteins Kronzeuge im Kampf für den Frieden. Wie schon gesagt: Vielleicht wusste er nicht, wen er da zitiert. Zumal der leibliche Sohn Martin Walsers sich nicht nach Frankreich bemühen muss, wenn er literarischen Antisemitismus sucht. Andererseits war es möglicherweise aber doch kein Zufall.
Bei Wikipedia steht über Louis-Ferdinand Céline: »Der Hass auf das Judentum steigerte sich (...) auf eine Weise, dass manche Forscher von einer regelrechten Psychose sprechen. Dieser idée fixe ordnete er alle anderen politischen Vorstellungen unter.« Man ersetze »Judentum« durch »Israel«, und man hat Jakob Augstein. Great minds think alike. Zu Deutsch: zwei Doofe, ein Gedanke.
Jakob Augsteins Kolumne »Ostermärsche: Krieg, Krieg, Krieg«:
www.spiegel.de/politik/ausland/konflikte-ewiger-krieg-statt-oesterlicher-frieden-kolumne-a-1200892.html