War der Auszug der Israeliten aus dem Land der Pharaonen vielleicht nur eine Anomalie der jüdisch-ägyptischen Geschichte? Haben Juden nicht viel öfter den umgekehrten Weg genommen, von Ost nach West? Schon Abraham, der erste Jude, kam in das fruchtbare Land am Nil, um einer Hungersnot zu entgehen. Sein Urenkel, Josef, machte dort später eine steile politische Karriere. Über Jahrhunderte fanden Juden in Ägypten Zuflucht, wenn sie von Dürre, Krieg und Vertreibung bedroht waren.
Auch Ben (Luzer Twersky), ultraorthodoxer Jude und Protagonist von Nicht ganz koscher, flieht von Israel nach Ägypten. Allerdings nicht vor den Römern oder einer Naturkatastrophe, sondern vor dem Schadchan, dem jüdischen Heiratskuppler. Bens Herz ist nämlich schon vergeben.
diaspora Da trifft es sich gut, dass die jüdische Gemeinde von Alexandria, einst eine der größten in der Diaspora und nun kaum noch überlebensfähig, unbedingt einen zehnten Mann braucht, um Pessach feiern zu können. Sollte sie keinen Minjan zusammenbekommen, drohen die ägyptischen Behörden, aus ihrer Synagoge ein Museum zu machen.
Bens Reise nach Ägypten gestaltet sich jedoch komplizierter als erwartet. Er verpasst seinen Flug nach Alexandria und beschließt kurzerhand, den Landweg nach Ägypten zu nehmen. Kaum betritt er ägyptischen Boden – auf beiden Seiten der Grenze gucken die Wächter erstaunt, als der Mann mit Pejes, Hut und Anzug auftaucht –, bekommt Ben ein Problem: Einige der Passagiere des Busses, der ihn durch den Sinai bringen soll, wollen nämlich auf gar keinen Fall einen Juden mitnehmen.
Zwar geht eine spontane Abstimmung knapp zugunsten Bens aus, als zwei seiner Befürworter aber am nächsten Halt aussteigen, muss Ben den Bus mitten in der Wüste verlassen. »Tut mir leid«, sagt der Fahrer, »dies ist ein demokratisches Land.«
freundschaft Es ist eine der wenigen Szenen im Film, in denen der Zuschauer eine Vorstellung davon bekommt, wie traumatisch die Geschichte von Juden und Ägyptern eigentlich ist. Ansonsten schweigt der Film weitestgehend zu Antisemitismus, Pogromen und Vertreibung, die schließlich der Grund dafür sind, warum das jüdische Leben aus Alexandria und anderen ägyptischen Städten heute beinahe restlos verschwunden ist. Als Hintergrund für die Handlung von Nicht ganz koscher wäre das vermutlich einfach zu düster. Der Film ist nämlich vor allem die Geschichte einer Freundschaft.
Der Einzige, der dem in der Wüste gestrandeten Ben hilft, rechtzeitig an sein Ziel zu kommen, ist der Beduine Adel.
Der Einzige, der dem in der Wüste gestrandeten Ben hilft, rechtzeitig an sein Ziel zu kommen, ist der Beduine Adel (Haitham Omari), der mit seinem Pick-up zufällig an dem orthodoxen Juden vorbeikommt. Warum er ihn eigentlich mitgenommen habe, fragt Ben, nachdem sie bereits seit einigen Tagen (Alexandria kommt und kommt nicht näher) durch dick und dünn gegangen sind. »Beduinengesetz«, antwortet Adel, »ich muss dich beschützen.« Der Bund der beiden Männer ist genauso unwahrscheinlich wie der Rest der Handlung. Aber dennoch: Wenn der Film eine Stärke hat, dann ist es die rührende Dynamik zwischen Ben und Adel.
unverständnis Aus dem anfänglichen Unverständnis über den jeweils anderen – »Sind alle Juden verrückt?«, fragt Adel den orthodoxen Juden, der selbst in der Wüste an der Einhaltung der religiösen Gebote festhält – wird nach und nach ein echtes Vertrauensverhältnis. Nach den zwei Stunden, die der Film dauert, glaubt man beinahe, dass Völkerverständigung so einfach sein könnte. Beinahe.
Mit ihrem Unterfangen, die Komplexität des Nahostkonflikts, der verschiedenen Religionen und jüdisch-ägyptischen Geschichte in eine Komödie zum Wohlfühlen zu integrieren, überzeugen die beiden Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller nicht ganz. Einige wirklich bewegende Momente und komische Szenen sind bei dem Versuch aber entstanden.
»Nicht ganz koscher« kommt am 4. August in die deutschen Kinos.