Am Anfang war der Sand – in der Geschichte genauso wie auf der Bühne. Schließlich geht es auch um die Geschichte einer Stadt im Sand. Zugegeben, bei dieser Ansammlung von ein paar Häusern, einem Wasserturm und zwei Straßen von einer Stadt zu sprechen, ist wirklich optimistisch.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Nur Bewohner gibt es in dieser Stadt kaum: Die meisten sind in die Provinz geflohen, weil in dem kleinen Land am Meer ein Krieg zwischen zwei fremden Mächten tobt: den »Roten« und den »Blauen«.
Damit landen die Zuschauer auch schon mitten in der Story: Dass es in der Provinz nämlich auch nicht viel sicherer ist, merkt der junge Nahum schmerzlich, als er nur knapp einer Rekrutierung zum Militärdienst durch »die Roten« entgeht. Ausgestattet mit dem guten Ratschlag seiner Großmutter, macht er sich deshalb atemlos auf den Weg zurück in die Stadt im Sand, die inzwischen zum Hauptquartier der »Blauen« ernannt worden ist.
Der Weg dorthin führt ihn mitten durch die Fronten eines Konflikts, der nicht sein eigener ist, dem er aber trotzdem gefährlich nahe kommt. Und wie es der Zufall in solchen Momenten nun einmal will, bleibt er auf seinem Weg nicht lange ohne Begleiter: Ein rätselhafter junger Mann, unterwegs in geheimem Auftrag, folgt einer Spur aus Orangenschalen, die zwei Mitstreiter für ihn gelegt haben.
Festival Diese Geschichte, die auf Nahum Gutmans biografisch inspiriertem Jugendroman Der Pfad der Orangenschalen (1979) basiert und von der Sehnsucht nach Frieden unter den jüdischen Bewohnern Palästinas im Ersten Weltkrieg erzählt, kennt in Israel sprichwörtlich fast jedes Kind. Jetzt hat der israelische Regisseur Hannan Ishay das Werk mit der deutschen Uraufführung nach Berlin geholt. Das Stück eröffnete zugleich das Festival »Playground Israel« am Berliner Theater an der Parkaue, das noch bis zum 5. Juli dauert.
Für seine Inszenierung hat Ishay die kleine Bühne des Hauses in einen großen Buddelkasten verwandelt. Darin stehen – oder vielmehr: rennen – die Schauspieler knöcheltief, während sich Nahum von seinem namenlosen Begleiter in dessen Auftrag einweihen lässt und schließlich zu seinem Komplizen wird. Die beiden machen sich auf, um im Auftrag des Flüchtlingskomitees eine Tasche voll mit Dokumenten und Geld aus der besetzten Stadt zu befreien. Dabei begegnen sie unter anderem osmanischen Soldaten – den »Roten« –, Tee trinkenden britischen Generälen mit Schnurrbart – den »Blauen« – und einem Orangenschalen liebenden tanzenden Esel.
Zusammen mit der künstlerischen Leiterin des Hauses, Katrin Hentschel, habe er sich deshalb vor allem wegen der starken lokalen Bindung für das Stück entschieden, erzählt Regisseur Hannan Ishay nach der Premiere. »Der Pfad der Orangenschalen ist ja fast schon wie ein Nostalgiebuch geschrieben: Das ist unsere wunderschöne Straße, und ich erzähle euch, wie sie vor 50 Jahren ausgesehen hat«, sagt Ishay. Auch wenn die Geschichte weit zurückgeht, zu den Wurzeln Israels im 20. Jahrhundert, habe er bei der Inszenierung bewusst auf die konkrete Verortung verzichtet: »Die Zuschauer sollen ihre üblichen Assoziationen zu Israel vergessen.«
Vielfalt Einen ähnlichen Impuls beschreibt auch Festivalleiterin Eva Stöhr. »Wir wollten die Vielfalt einer Kunstszene zeigen, die hinter dem medialen Bild, das von Israel vermittelt wird, oft zurückfällt.«
In einer Kooperation mit der israelischen Botschaft bringt das Jugendtheater deshalb israelische Stoffe und Themen in Stücken, Workshops und Lesungen auf die Bühne. Dabei sind die unterschiedlichsten Formate zu sehen: von Puppentheater über Choreografien und Performances bis hin zu klassischem Regietheater. Besondere Highlights sind die Performance Playground Berlin des in Berlin lebendenden israelischen Künstlers Amit Jacobi, die in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn entstand, sowie das Fußball-Tanzstück Invisi’Ball der Choreografin Nadine Bommer.
Damit schließt sich der Kreis zum Auftaktstück: Denn die Stadt »auf goldenem Sand, unter gelber Sonne, am blauen Meer« im Pfad der Orangenschalen entpuppt sich am Ende als Tel Aviv. Wer also wissen will, wie die Geschichte um Nahum und die geheimnisvolle Tasche ausgeht und was zum Teufel ein tanzender Esel damit zu tun hat, hat bis Sonntag im Theater an der Parkaue Gelegenheit dazu.
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