Wale sind alles andere als leise Gesellen. Erst kürzlich haben Wissenschaftler im Pazifik ein Buckelwal-Männchen dabei belauscht, wie es über eine halbe Stunde lang mit seinen Gesängen ein Weibchen umwarb.
Und weil die Meeressäuger ordentlich Tonnen auf die Waage bringen, verfügen sie auch über den entsprechenden Resonanzkörper, was sie mit zu den lautesten Tieren überhaupt auf der Welt macht. Pottwale sind gleichfalls recht mitteilungsbedürftig. Zudem zählen sie zu den Lebewesen mit dem größten Gehirn, satte zehn Kilogramm wiegt es.
startschuss All das sind gute Gründe, ihrem Kommunikationsverhalten einmal näher auf den Grund zu gehen, weshalb dieser Tage vor der Karibikinsel Domenica der Startschuss für ein bemerkenswertes Projekt gegeben wurde. CETI heißt es. Das Kürzel steht für »Cetacean Translation Initiative«, ein Teil des TED-Programms »Audacious Project«, das jährlich »große und mutige Lösungen für die dringendsten Herausforderungen der Welt« auswählt.
Fünf Israelis sind mit an Bord des Teams von Spezialisten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien sowie Italien.
Fünf Israelis sind mit an Bord des Teams von Spezialisten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien sowie Italien. »Pottwale machen eine Art Klickgeräusch in unterschiedlichsten Frequenzen, wenn sie in Gesellschaft anderer Artgenossen sind«, weiß Dan Tchernov, Professor an der Leon H. Charney School of Marine Sciences der Universität Haifa, zu berichten.
»Die eigentliche Frage aber lautet nun, ob es sich dabei nur um einen einfachen Code handelt oder eine echte Sprache«, so der Experte, der zu dem Forscherteam gehört. »Im Moment ist unsere Datenbank noch nicht umfangreich genug, um das beantworten zu können.«
stimme Doch Künstliche Intelligenz sowie neueste Erkenntnisse in der Linguistik sollen genau das ändern. »Wenn wir erst einmal genug Daten über ihre Stimmen gesammelt haben und den Kontext, in dem diese Laute verwendet werden, sowie ihr Verhalten und die Absichten dahinter besser verstehen lernen, dann können wir einen Algorithmus entwickeln, der feststellt, ob sie wirklich eine echte Sprache haben.«
Das Sozialverhalten und die Kommunikation der Pottwale sind eine äußerst komplexe Angelegenheit. Denn sie erzeugen nicht nur Klickgeräusche, sondern beherrschen ebenfalls ein Vokabular aus sogenannten Kodas, also bestimmten Tonmustern, die es gleich in mehrfachen Versionen gibt, sodass man durchaus von Wal-Dialekten sprechen kann. Jede Herde kann ein eigenes Koda-Muster entwickeln, das zudem recht vielfältig ist.
Eine Pottwal-Mutter zum Beispiel benutzt in der Kommunikation mit ihrem Nachwuchs sogar eine besondere Baby-Sprache, die sich wiederum sehr von der mit den erwachsenen Mitgliedern eines Verbandes unterscheidet.
syntax Genau deshalb ist das Know-how von Roee Diamant, einem Meereswissenschaftler und Akustikspezialisten, der Kommunikationswissenschaftlerin Bracha Nir, beide von der Universität Haifa, sowie der Informatikerin mit dem Fachgebiet Kryptologie, Shafrira Goldwasser, gefragt. Sie sollen einen Beitrag dazu leisten, eine eventuell vorhandene Grammatik oder Syntax in der Kommunikation der Pottwale herauszufiltern.
Geleitet wird das Projekt von Professor David Gruber, Biologieprofessor an der City University of New York und am Baruch College, der auch für das renommierte Magazin »National Geographic« tätig ist. So hatte er bereits die erste biofluoreszierende Meeresschildkröte entdeckt und eine »Shark Eye«-Spezialkamera entwickelt, mit der sich die Unterwasserwelt aus der Perspektive eines Hais betrachten lässt. Laut der CETI-Website hat sein Team bereits mithilfe von Künstlicher Intelligenz 23 Arten von Klickmustern identifiziert und eine Genauigkeit von über 95 Prozent bei der Erkennung von Wal-Dialekten erreicht.
Handelt es sich um einen einfachen Code oder um echte Sprache?
Nun will man mit einer Vielzahl von Sensoren auf dem Meeresboden, Roboterfischen, die neben den Walen schwimmen und ihre Gespräche aufzeichnen sollen, und Drohnen an der Meeresoberfläche, die mit abwerfbaren Hydrofonen ausgestattet sind, ein Gesamtbild vom Sozialverhalten und der Kommunikation dieser Schwergewichte unter den Meeressäugern erstellen. Die Tatsache, dass sich die Tiere fast ausschließlich auf akustische Informationen verlassen, könnte die Aufgabe sogar vereinfachen.
aliens Wenn die Wissenschaftler damit Erfolg haben sollten, könnte das Projekt CETI einen wichtigen Beitrag dazu liefern, die allererste Blaupause der Sprache eines Tieres zu erstellen. Einem alten Menschheitstraum, und zwar der Fähigkeit, mit anderen Arten zu kommunizieren, wäre man damit vielleicht einen Schritt näher gekommen.
Aber nicht nur das: Als vor einiger Zeit einige der am Projekt Beteiligten zu einem Arbeitsessen in Boston zusammenkamen, wurde auch über ein neues Apollo-Raumfahrtprogramm und das Problem, wie man gegebenenfalls mit Aliens sprechen könnte, diskutiert. Dabei schlug jemand vor, dass die Arbeit der Forscher, wenn sie denn erfolgreich ist, die Plattform für eine solche Unterhaltung liefern könnte. »Ich schaute mich mehrfach um und wartete darauf, dass jemand lachte«, erinnert sich Gruber. »Aber ich sah nur zustimmendes Nicken.«