Sehen!

Auf dem Laufsteg

Der Wettbewerb Titel Miss Holocaust Survivor will die Überlebenden der Schoa würdigen und deren Geschichten und Situationen sichtbar machen. Foto: Farbfilm Verleih

Das weltweit wohl prominenteste älteste Model ist die 1921 geborene jüdisch-amerikanische Stilikone Iris Apfel. Ihr ist es zu verdanken, dass Schönheit und Alter in der Fashion-Welt nicht mehr als unvereinbare Gegensätze gesehen werden. Weitaus weniger internationale Aufmerksamkeit bekamen bislang ihre Altersgenossinnen in Israel, Teilnehmerinnen eines einzigartigen Schönheitswettbewerbs, bei dem es nicht nur um Äußeres geht. Der unter dem Titel Miss Holocaust Survivor seit 2011 alle zwei Jahre stattfindende Wettbewerb will die Überlebenden der Schoa würdigen und deren Geschichten und Situationen heute sichtbar machen. Viele sind chronisch krank, einsam oder arm.

Veranstaltet wird der Wettbewerb von der gemeinnützigen israelischen Hilfsorganisation Yad Ezer LʼHaver, die mit einem Heim in Haifa die Überlebenden unterstützt. Seitdem hat der Wettbewerb in der jüdischen Welt für positive Resonanz, aber auch für Kontroversen gesorgt. Colette Avital, Vorsitzende des Zentrums für Holocaust-Überlebende in Israel, des Dachverbandes von 58 Holocaust-Überlebendenverbänden, bezeichnete die Kür um den Titel als »sensationsgierig«, während Chava Hershkovitz, die Gewinnerin von 2012, die Teilnahme als eine »Befreiung« empfand.

Der Wettbewerb hat in der jüdischen Welt für positive Resonanz, aber auch für Kontroversen gesorgt.

Wie sie haben viele Überlebende jahrzehntelang geschwiegen, zu groß war das Trauma, zu schmerzhaft das Erinnern. Es sind Frauen im Alter von 77 bis 95 Jahren, die sich für den Titel angemeldet haben und die nun im Dokumentarfilm des in Gdansk (Polen) geborenen Regisseurs Radek Wegrzyn porträtiert werden. Er filmte das Miteinander, die Gespräche, die Vorfreude und manchmal auch ihre Erschöpfung. Und er traf sie in ihrer privaten Umgebung.

Eine dieser Frauen ist Rita Kasimov-Brown. Überlebt hat sie die Gräuel der Nazizeit in einem Erdloch, 19 Monate lang versteckt mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern. Wenn sie vor der Kamera davon erzählt, wie sie als damals Siebenjährige versucht hat, sich das Leben zu nehmen, indem sie alle Knöpfe ihrer Kleidung schluckte, wirkt sie stark, verletzlich – und schön.

Man sieht ihren Augen an, was sie erlebt hat. Und wenn sie schließlich mit ihren Mitstreiterinnen zum Song »I will survive« auf den Laufsteg geht, können wir dem Statement einer der Jurorinnen nur zustimmen: »Holocaust-Überlebende sind die wahren Heldinnen. Dank ihnen sind wir heute hier.«

Es ist ein Film, der im Gedächtnis bleibt. »We have the duty to remember«, bekräftigt der Regisseur in seinem persönlichen Video anlässlich der Kampagne #weremember. In diesem Sinne ist es nicht nur ein Film gegen das Vergessen, sondern auch für die Sichtbarkeit und Würdigung der Überlebenden, die den Horror überstanden haben und die bis heute von den Erinnerungen daran gequält werden. Wie sie sich seit dem 7. Oktober fühlen müssen, ist nur zu erahnen.

Der Dokumentarfilm »Miss Holocaust Survivor« ist ab dem 9. November bundesweit in den Kinos zu sehen.

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025

Musik

»Das Klavier rettete sie«

Ein Gespräch mit der Filmemacherin Sheila Hayman über ihre berühmte Vorfahrin, Fanny Mendelssohn-Hensel, Feminismus und das Geheimnis der Ostersonate

von Katrin Richter  12.01.2025

Essay

Sichtbar und unsichtbar

Über Würde und Bürde jüdischer Erfahrungen – in Israel und in der Diaspora

von Natan Sznaider  12.01.2025

Zahl der Woche

Wie viele Menschen leben in Israel?

Fun Facts und Wissenswertes

 12.01.2025

Aufgegabelt

Schnelle Babka mit Pesto

Rezepte und Leckeres

 12.01.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Über Sicherheit oder Warum wir den Schlüssel zweimal umdrehen

von Nicole Dreyfus  12.01.2025