2008 veröffentlichte das renommierte YIVO Institute for Jewish Research in New York eine mehrbändige wegweisende Enzyklopädie über die Juden Osteuropas, die mit zahlreichen wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet wurde. Seit Juni dieses Jahres ist eine für das breite Publikum konzipierte kürzere Version des Nachschlagewerks online zugänglich. Die kostenlose englischsprachige Site umfasst 1.800 Artikel über Religion, Politik, Geschichte, Kultur und wichtige Bevölkerungszentren der Aschkenasim vom Balkan bis Sibirien. Abgedeckt wird die Zeitspanne vom Beginn jüdischer Präsenz in Osteuropa, die schon in der Römerzeit begann, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
kronrabbiner Neben Texteinträgen von 450 wis senschaftlich ausgewiesenen Autoren sind tausende Dokumente, Fotos, Video- und Tonaufnahmen sowie Karten abrufbar. Man findet die Biografie von Franz Kafka (illustriert mit einem Kindheitsfoto des Schriftstellers) ebenso wie umfassende Informationen über sozialistische, zionistische und assimilationistische Richtungen im osteuropäischen Judentum, aber auch einen Eintrag, der den Aufgabenbereich des »Kronrabbiners« im zaristischen Russland erläutert. Wichtig ist den Betreibern der Site dabei, dass ihre Online-Enzyklopädie »auch vom alltäglichen Leben normaler Juden und von deren Lebensstil, Kleidungsstil, Literatur und Folklore berichtet.« So erfährt man beispielsweise von den unterschiedlichen regionalen Zubereitungsarten für Gefilte Fisch; ein kurzer Amateurfilm vom Fischmarkt in Lodz um 1930 zeigt dazu Karpfenverkäufer und ihre Kundschaft.
Im Wikipedia-Zeitalter der Häppcheninformation informiert diese Internet-Enzyklopädie auf angenehm traditionelle Art wissenschaftlich fundiert und verlässlich, dabei aber auch gerade für Laien verständlich. Die sehr benutzerfreundliche Bedienung macht die Site zu einem Eingangstor in eine Welt, die, auch das lernt man hier, wesentlich vielfältiger und widersprüchlicher war, als man sie vom herkömmlichen Schtetl-Bild her kennt.
www.yivoencyclopedia.org