Artur Brauner, Filmproduzent und Immobilienunternehmer, ist eine Legende. Am 1. August feiert er seinen 98. Geburtstag, und noch immer mischt er sich leidenschaftlich wie glaubwürdig in öffentliche Debatten ein, zum Beispiel wenn es um die NS-Zeit, Antisemitismus und Hetze gegen den jüdischen Staat geht. In Sachen nationalsozialistischer Vergangenheit ist Brauner hellhörig.
Er wurde 1918 im polnischen Lodz als Sohn eines jüdischen Holzhändlers geboren. Den Holocaust überlebte er, weil er sich in Wäldern versteckte und gegen Kriegsende aus einem Konzentrationslager floh.
werk 49 Mitglieder seiner Familie sind in Ghettos und Lagern von den Nazis umgebracht worden. In den vergangenen Jahrzehnten widmete Brauner sich verstärkt Filmen, die an die NS-Zeit erinnern. 2011 entstand nach einer Idee Brauners Wunderkinder, in dem die Freundschaft dreier musikalisch begabter Kinder in der Ukraine, zwei davon jüdisch, durch die Nazi-Besatzung auf die Probe gestellt wird. Insgesamt hat Artur Brauner rund 250 Filme produziert. Mit seiner Firma CCC-Film wurde er in den 50er-Jahren zu Deutschlands wichtigstem Produzenten.
Es waren Zeiten, in denen das bundesdeutsche Publikum noch ausgelaugt war von den mageren Nachkriegsjahren, aber schon wieder emsig am Wirtschaftswunder arbeitete und sich im Kino ein paar schöne Stunden machen wollte. Brauner gab ihm jene Illusionen, die für eine kurze Zeit Trost und Ablenkung versprachen.
Kein anderer Filmproduzent hat so wie er den deutschen Nachkriegsfilm geprägt – und kaum ein anderer hatte so wenig Skrupel wie er, die Zuschauer auch mit seichter Unterhaltung zu versorgen. Er baute eine der modernsten und größten europäischen Atelieranlagen in Berlin-Spandau auf, die zeitweilig mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigte. Brauner war in allen Genres zu Hause, die einigermaßen Erfolg in den Kinos versprachen.
Karl May Er vertraute auf die »großen Namen« kassenkräftiger Stars und auf Drehbücher, die ihre Herkunft von Boulevardstücken und simplen Schwänken nicht verleugnen konnten. Und er hängte sich an alle Wellen, die gerade als en vogue im Kino galten, ob es nun Musicals, »Problemfilme«, Karl-May-Verfilmungen oder Edgar-Wallace-Krimis waren. Für einige Sex-Klamotten war er sich auch nicht zu schade. Seine Lieblingsprojekte in den 50er- und 60er- Jahren aber waren ambitionierte Literaturadaptionen und Neuverfilmungen klassischer Kinostoffe aus den 20er- und frühen 30er-Jahren.
Dahinter steckte nicht nur die Absicht, mit dem Remake eines ehemaligen Kassenknüllers noch einmal Profit zu machen. Brauner wollte auch an eine Filmtradition anknüpfen, die dem deutschen Film einmal Weltgeltung verschafft hatte – und die noch unbefleckt gewesen war von der Unterhaltungsmaschinerie der Nazi-Zeit.
Er hat etwa den Tiger von Eschnapur noch einmal verfilmt und Die Nibelungen. Und es gab auch schon damals den unbequemen Artur Brauner: den, der einem Filmball wegen der Anwesenheit des Nazi-Regisseurs Veit Harlan fernblieb; den, der aus der Emigration zurückgekehrte Regisseure wie Robert Siodmak oder Fritz Lang und Schauspieler wie Peter van Eyck oder Fritz Kortner beschäftigte.
Diktatur Und den Artur Brauner, der nicht müde wurde, die Deutschen immer wieder an ihre Vergangenheit zu erinnern. Schon in seinem zweiten Film, Morituri (1947/48), der eigene KZ-Erlebnisse verarbeitete, begann seine Beschäftigung mit der NS-Diktatur.
Aber auch in unpolitischen Genres hat Brauner, der der Regisseursgeneration der 60er- und 70er-Jahre als typischer Repräsentant von »Papas Kino« erschien, manchmal etwas gewagt: Mit der von Robert Siodmak inszenierten Hauptmann-Adaption Die Ratten gelang ihm eines der wenigen Meisterwerke des Adenauer-Kinos, ein düsterer Film mit expressiven Bildern.
Mazal tov, bis 120 und weit darüber hinaus!