Schwebende Schritte, wirbelnde Armbewegungen, kraftvolle Sprünge oder tiefe Verbeugungen. Tänze von Gret Palucca oder Valeska Gert sind heutzutage für die Nachwelt zwar auf YouTube zu sehen oder anhand von Leporellos in Archiven nachzuvollziehen, aber die Choreografien sind getanzt, und der Moment ist vergangen.
Wie genau solche Bewegungen archiviert werden können, um sie für das kulturelle Gedächtnis zu erhalten, damit setzt sich noch bis zum 21. September die Ausstellung Was der Körper erinnert. Zur Aktualität des Tanzerbes in der Berliner Akademie der Künste auseinander.
TANZMASKEN 75 Objekte haben die Kuratoren aus den Tanzarchiven in Berlin, Bremen, Leipzig und Köln zusammengetragen. Darunter so außergewöhnliche Artefakte wie Tanzmasken von Erich Goldstaub, der von den Nazis 1943/44 in Auschwitz ermordet wurde, eine Sprungstudie von Gret Palucca aus dem Jahr 1930 oder zerknitterte und verschlissene Fotografien der selbst ernannten Grotesktänzerin Valeska Gert. Gert, die als Gertrud Valesca Samosch in eine jüdische Berliner Familie geboren wurde, erhielt 1933 ein Auftrittsverbot. Es gelang ihr, 1939 nach New York zu emigrieren, wo sie in der Morton Street Nummer 3 die Kellerkneipe »Beggar Bar« eröffnete.
Der »Aufbau« empörte sich über das »geschmacklose« Programm von Valeska Gert.
Dass die Berlinerin nicht nur ausdrucksstark tanzte, sondern auch ihrem Frust im Exil Luft machte, empörte die Gemeinschaft der Emigrierten. Wie sehr, ist im Objekt Nr. 25 nachzulesen, einem Schreiben der Emigrantenzeitung »Aufbau« vom 29. Dezember 1941 an die Tänzerin.
Aufbau »Wie wir von den verschiedensten amerikanischen Seiten hören, bauen Sie Ihr Programm inhaltlich in einer Form auf, die ebenso geschmacklos wie taktlos ist«, heißt es in dem Brief, der damit endet, dass die »Aufbau«-Redaktion der Tänzerin die Unterstützung versagt und ankündigt, sie im Blatt anzugreifen.
»Beginnen Sie bitte endlich zu begreifen, dass Ihre Person zu unwichtig ist, um in diesen Kriegszeiten die Gemeinschaft der gesamten Immigration zu gefährden.« Allein wegen Schriftstücken wie diesem lohnt es sich, in die kleine Ausstellung zu gehen, die noch dazu durch ein umfassendes Begleitprogramm umrahmt wird.
Ong Keng Sen So hat sich der Choreograf Christoph Winkler mit Choreografien und Kompositionen von Ernest Berk auseinandergesetzt. In »The Complete Expressionist« werden fünf Stücke des gebürtigen Kölner Tänzers, der 1934 mit seiner Frau vor den Nationalsozialisten nach London floh, neu interpretiert. Und da Tanz eben nicht nur Bewegung des Körpers ist, sondern auch Nachdenken und Diskurs, sprechen bekannte Choreografen wie Xavier Le Roy oder der Theaterregisseur Ong Keng Sen über Tanz, Tradition – und das Archivieren der Bewegung.