Mit einem bundesweiten Appell, die Verbrechen, Ideologie und Pädagogik der Nationalsozialisten zu einem festen Bestandteil im Studium der Erziehungswissenschaften zu machen, haben sich die Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und Benjamin Ortmeyer an die Kultusministerkonferenz, die Wissenschaftsministerien der Länder und die Hochschulen gewandt.
Die beiden Wissenschaftler haben die deutschlandweit einmalige Forschungsstelle für NS-Pädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität aufgebaut und setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die »Erziehung nach Auschwitz« kein Spezialthema im Studium angehender Pädagogen und Lehrer bleibt, sondern zum Pflichtprogramm zählt.
Unterzeichner »Die Problematik und die Grenzen des pädagogischen Berufes wurden nirgends so deutlich wie in Theorie und Praxis der NS-Pädagogik, die ihren festen Bestandteil an der Verbreitung der NS-Ideologie und der Vorbereitung der mörderischen NS-Verbrechen hatte«, schreiben Brumlik und Ortmeyer in ihrem Appell, der von fast 200 Persönlichkeiten, Politikern und Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. Dies zeige, warum eine »humanistische und demokratische Pädagogik nötig ist und wo Manipulation und Indoktrination auch mit dem Einsatz moderner Technik und wissenschaftlicher Forschung beginnen«.
Unterstützung findet das Anliegen beim Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. »Ihre Initiative halte ich für sehr wichtig«, unterstreicht Schuster in einem Brief an den Leiter der Frankfurter Forschungsstelle, Benjamin Ortmeyer. Dieser muss an seiner eigenen Universität selbst um den Bestand fürchten, nachdem der Fachbereich entschieden hat, keine für das Studium so wichtige Creditpoints mehr für seine Vorlesungen zu vergeben. Die Auseinandersetzung darüber hält noch an.
Antrag Mittlerweile hat der Senat der Goethe-Universität aber einen Antrag von Ortmeyer einstimmig verabschiedet, wonach kurz vor dem 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, die Universität an ihre Studenten, Dozenten und Beschäftigten in allen Fachbereichen appelliert, sich in Lehrveranstaltungen mit dem Thema Auschwitz, der NS-Zeit, ihren Verbrechen, den Folgen und damit zusammenhängenden Fragen auseinanderzusetzen. »Zusätzliche Veranstaltungen sind erwünscht und werden unterstützt«, heißt es in dem Beschluss der Universität.
Der hochschulpolitische Sprecher des AStA der Goethe-Universität, Laurien Simon Wüst, sieht nun zum ersten Mal die Möglichkeit eröffnet, »dass die Goethe-Universität als Ganzes, und nicht nur einzelne Initiativen, sehr deutlich und klar ein Zeichen setzt, dass Erinnern und Gedenken an Auschwitz kein Spezialthema ist«. Auch Benjamin Ortmeyer lobt, dass »der Senat der Goethe-Uni mal vorangeht«. Er ist gespannt, ob andere Universitäten dem Beispiel folgen werden.