Interview

»Apfelschorle ist gojisch«

Adam Fletcher über seine Deutschlandreise, Schützenfeste und wunderliche Trinkgewohnheiten

von Philipp Peyman Engel  11.02.2015 11:39 Uhr

Adam Fletcher Foto: Axel Lauer

Adam Fletcher über seine Deutschlandreise, Schützenfeste und wunderliche Trinkgewohnheiten

von Philipp Peyman Engel  11.02.2015 11:39 Uhr

Herr Fletcher, für Kurt Tucholsky waren die Deutschen ein Volk, dessen Ideal es ist, hinter einem Schalter zu sitzen. Was ist für Sie typisch deutsch?
Apfelsaftschorle! Man kann einen Deutschen nachts um fünf wecken und fragen, was er trinken möchte. Die Antwort wird bei den meisten, wie aus der Pistole geschossen, Apfelsaftschorle sein. Ich als Brite dachte immer, dass Bier typisch deutsch sei. Tatsächlich ist es – neben dem Faible für Sachlichkeit und Jack-Wolfskin-Partnerlook tragenden Ehepaaren – dieses irgendwie doch sehr gojische Getränk.

Mit Ihrem ersten Buch »Wie man Deutscher wird in 50 einfachen Schritten« standen Sie lange auf der Bestsellerliste. Im Nachfolger »Wie ich einmal loszog, ein perfekter Deutscher zu werden« haben Sie nun wieder die deutsche Seele erkundet. Mit welchem Ergebnis?
Die Deutschen sind mir noch mehr ans Herz gewachsen – und erscheinen mir jetzt noch mehr als ein sehr wunderliches Volk.

Weshalb?
Ich war mit der Deutschen Bahn und Mitfahrgelegenheiten in ganz Deutschland unterwegs und habe dabei Prüfungen bestanden. Ich war Praktikant beim Arbeitsamt, nahm an Schützenfesten teil, lernte dort die deutsche Vereinskultur kennen und reiste ins 17. Bundesland Mallorca. Dabei habe ich – neben allerhand deutschen Skurrilitäten und Marotten – festgestellt: Wenn ein Deutscher nett zu dir ist, meint er es auch so. Das ist mir sympathisch. Diese Freundlichkeit kommt spät, ist aber authentisch – in den USA und Großbritannien ist es umgekehrt.

Wie wird man Ihrer Erfahrung nach zum perfekten Deutschen?
Ganz wichtig ist es, übertrieben sicherheitsbedürftig zu sein und sich Versicherungen zuzulegen. Am besten gegen alles, was man nicht planen kann. Ich bin mir sicher: Würde jemand eine Versicherung erfinden, die immer dann für den Schaden aufkommt, wenn man nicht die richtige Versicherung hat, würden alle Deutsche sofort eine kaufen. Nicht unwichtig ist auch Pedanterie.

Warum befassen Sie als Brite sich eigentlich so intensiv mit der deutschen Seele?
Als ich vor einigen Jahren nach Deutschland kam, bin ich aus den Menschen hier anfangs nicht ganz schlau geworden. Ich wollte sie kennenlernen. Also habe ich eine Art Gebrauchsanleitung geschrieben. Nach dem Erfolg des ersten Buches haben mir mehrere deutsche Unternehmen geschrieben, dass sie neuen ausländischen Mitarbeitern zur Einführung mein Buch mit den Worten schenken: »Lesen Sie das! Danach verstehen Sie uns!« Was will man mehr?

Woran werden Sie sich in Deutschland nie gewöhnen können?
An den »unbefristeten Vertrag«. Ein Leben lang denselben Job ausüben, mit demselben Gehalt, denselben Arbeitszeiten und denselben Aufgaben – das ist für viele Deutsche so etwas wie der Gan Eden.

Mit dem britisch-deutschen Sachbuchautor sprach Philipp Peyman Engel.

Kino

»September 5« - Der Schrecken des Massakers von München

Am 5. September 1972 berichtete der amerikanische Sender ABC live über den Terroranschlag auf das israelische Olympischen Spiele in München. Ein packendes Drama zeigt die Stunden aus ungewöhnlicher Perspektive

von Cordula Dieckmann  02.01.2025

Interview

»Etty Hillesum war ihrer Zeit voraus«

Sebastian Koch über seine musikalische Lesung mit Daniel Hope und eine Serie über die in Auschwitz ermordete jüdische Intellektuelle Etty Hillesum

von Kristina Staab  02.01.2025

2024

Hebräischer Vorname ist am beliebtesten bei deutschen Eltern

Gerade unter den beliebtesten Jungennamen sind einige biblischen Ursprungs

 02.01.2025 Aktualisiert

Filmbiografie

Erfolg in Blau - Miniserie über Levi Strauss

Die Jeans von Levi’s sind weltbekannt – doch wer kennt die Geschichte ihrer jüdischen Erfinder? Ein ARD-Mehrteiler erzählt von Levi Strauss und Jacob Davis

von Kathrin Zeilmann  02.01.2025

Kulturgeschichte

Ahasver und kein Ende

Warum der Mythos vom »Ewigen Juden« bis heute Bestand hat

von Christoph Schulte  02.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 2. Januar bis zum 10. Januar

 02.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 02.01.2025

Standpunkt

Elon Musk, die »WELT« und die Meinungsfreiheit

Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  01.01.2025

TV

ARD sendet an Silvester interreligiöses »Dinner for All« aus Berlin

Mit dabei ist unter anderem die jüdische Theologin Helene Braun

 31.12.2024