Kammeroper

Anteilnahme als Möglichkeit

Szene aus »Der Garten« von Josef Tal Foto: PR

Am 12. Mai 1965, 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit den verheerenden Verbrechen des Holocausts, nahmen die Bundesrepublik Deutschland und der Staat Israel diplomatische Beziehungen auf, die sich im Mai zum 50. Mal gejährt haben. Dieses Jubiläum in Verbindung mit dem Gedenken an die Pogromnacht im November 1938 hat die Bundeskunst- und Ausstellungshalle in Bonn jetzt zum Anlass genommen, in Kooperation mit dem Verein an der Synagoge Bonn sowie dem Theater Bonn und der Hochschule für Musik und Tanz Köln zwei Kammeropern aus Israel zur Aufführung zu bringen.

Gespräch mit einem Stein von Ella Milch-Sheriff, nach einem Gedicht der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska (in szenischer Uraufführung), und Der Garten, Musiktheater über das Paradies, von Josef Tal aus dem Jahr 1987 mit einem Libretto von Israel Eliraz.

»Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch«, mögen sich Regisseur Bruno Berger-Gorski und die Ausstatter Christoph Rasche und Daniel Spoerri gesagt haben, was im Bühnenbild, den Kostümen und den großformatigen Videoinstallationen auch seinen entsprechenden Ausdruck findet.

Metapher Tal, 1910 in Polen geboren, emigrierte 1934 von Berlin, wo er bei Paul Hindemith Komposition studiert hatte, nach Jerusalem und starb dort 2008; Milch-Sheriff kam als Tochter polnischer Überlebender 1958 in Haifa zur Welt. Neben dem Hebräischen komponiert sie in Gespräch mit einem Stein erstmals in ihrer eigentlichen Muttersprache: Polnisch. Der Stein steht in ihrem Stück als Metapher für das eigentlich Unsagbare, das Verschlossene. Und dennoch begehrt das Mädchen Einlass, will die Geheimnisse solcher Hermetik erkunden.

Dem Aussichtslosen solchen Unterfangens begegnet es zwischen riesigen weißen Kleiderhaufen schließlich mit Anteilnahme, als vielleicht der einzigen, sehr vagen Möglichkeit, Unabänderlichkeiten hinzunehmen. Flankiert von einem Doppelchor für Frauenstimmen ist das etwa 20 Minuten dauernde Werk für Mezzo-Sopran (Uta Christiana Georg als »Stein«) und Sopran (Einat Aronstein als »Mädchen«) sowie Oboe, Violoncello und Klavier gesetzt; wobei eine gewisse Kargheit der Klangrede die Intensität noch unterstreicht.

Der Tod (Olaf Reinecke) als allegorische Figur dient als Verbindung zu Tals Kammeroper Der Garten. Adam (Christian Georg) und Eva (Einat Aronstein) suchen, von ihrer konsumorientierten Lebenswirklichkeit frustriert, den Ort des Anfangs auf, um gleichsam die Reset-Taste zu drücken. Das Paradies aber ist inzwischen ebenso verkommen, was sie veranlasst, dem einstigen Idyll den Rücken zu kehren. Die Schlange (Stefan Viering) weist ihnen den Weg – in die Gaskammer.

Flüchtlinge Das zumindest suggerieren die Video-Assoziationen, die im Übrigen auch Bezüge zur gegenwärtigen Flüchtlingssituation und zum Attentat auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin herstellen. Beeindruckend: Den Solisten steht ein Instrumental-Oktett zur Seite, das zwischen zerstückelten Melodielinien und Klangflächen changiert und sich einmal ironisierend auf Schumanns Heine-Vertonungen »Dichterliebe« beruft.

Im Ganzen aber wirken die auf eine Stunde Spielzeit ausgedehnten sieben Szenen, vor allem durch die plakativen Rollenklischees ihrer Protagonisten, wenig originell und etwas langatmig.

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025