Als vor zehn Jahren Friede Springer, die Witwe des Gründers des Axel Springer Verlages, die Moses Mendelssohn Medaille in Potsdam im Rahmen eines Festaktes überreicht bekam, erklärte die so Gewürdigte, sie sei stolz und dankbar, aber auch ein wenig beschämt, mit der Medaille ausgezeichnet zu werden. »Was«, so ihre Frage, »habe ich denn Besonderes getan?«
Mit diesem Bekenntnis ging Friede Springer auf die Begründung ein, warum man sie ehren wolle, und zwar für ihr Engagement bei der Annäherung von Juden und Deutschen, aber auch für ihr unermüdliches Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat. Dass sie das täte, sei eine Selbstverständlichkeit, meinte sie damals.
verantwortung Ist es tatsächlich eine Selbstverständlichkeit? Das ist leider, wie wir gegenwärtig schmerzlich erfahren, nicht mehr der Fall. Im Gegenteil. Es bereitet uns zunehmend Sorgen, dass antisemitische Vorurteile in Deutschland wieder mehr Verbreitung finden und manche unserer Mitbürger mit intoleranten Einstellungen sympathisieren.
Wir leben in einer Gesellschaft, die stärker als je zuvor von den Massenmedien, vom Internet und von globalisierter Kommunikation geprägt wird. Das birgt Chancen und Risiken, und es ist ein Höchstmaß an Verantwortungsbereitschaft und Sensibilität gefragt, gerade auch gegenüber Minderheiten in diesem Land und anderswo.
Hervorzuheben ist Friede Springers Bemühen um Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen.
Friede Springer steht ohne Zweifel für diese Verantwortungsbereitschaft und setzt mit ihren philanthropischen Aktivitäten – unter anderem mit der Axel Springer Stiftung, der Friede Springer Stiftung sowie der Friede Springer Herz Stiftung – ein nicht übersehbares Zeichen. Hervorzuheben ist besonders Friede Springers Bemühen um Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen sowie ihr Eintreten für ein lebendiges Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Es geht ihr, was sie immer wieder betont, um die Verständigung zwischen Völkern und Ethnien, um die Aussöhnung zwischen einstigen Todfeinden. Friede Springer setzt damit in beeindruckender Weise das Engagement ihres Mannes Axel Springer fort.
Engagement Die Beziehungen Friede Springers zu Israel verdienen besondere Erwähnung. Als sie 2019 von der Hebräischen Universität in Jerusalem die Ehrendoktorwürde erhielt, bekannte sie in ihrer Dankesrede, sie hätte sich, als sie zum ersten Mal den Boden des jüdischen Staates betrat, in dieses »wunderschöne Land verliebt«. Seither hätte sie Israel »mehr als 50-mal« besucht.
Bei der Verleihungszeremonie, an der Hunderte Israelis teilnahmen, erklärte unter dem Applaus der Anwesenden ein Vertreter der Hebräischen Universität, Friede Springer erhalte die Ehrendoktorwürde nicht nur für ihr Engagement zur Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden, sondern auch wegen ihres Bemühens, eine jüdisch-arabische Verständigung herbeizuführen. In einem Interview, das sie am Rande der Feierlichkeiten gab, äußerte Friede Springer, die »Unterstützung des Lebensrechtes des israelischen Volkes« sei eine unerschütterliche Maxime ihres Hauses.
Das aber bedeute nicht, gab sie zu verstehen, dass diese Maxime Kritik an bestimmten Entscheidungen der israelischen Regierung ausschließe. Es gehört zu den interessanten und ermutigenden Seiten von Axel und Friede Springer, dass sie – über den Medienbereich hinaus – immer auch einen Bogen geschlagen haben zu Wissenschaft und Forschung, und dies auch in zielgerichteter Weise zu Themen der jüdischen Geschichte und Gegenwart.
Edition Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch heute mit Freuden daran, dass er Axel Springer Ende der 70er-Jahre aufsuchte und ihm das Projekt der Edition der Briefe und Tagebücher von Theodor Herzl vorstellte. Axel Springer gab damals das entscheidende Signal, sodass die sieben Bände im Verlag Ullstein/Propyläen, der heute leider nicht mehr zum Hause Springer gehört, erscheinen konnten.
Die Edition hat vielen interessierten Lesern geholfen, sich eine Vorstellung von der Lebens- und Gedankenwelt des Begründers der zionistischen Bewegung zu machen, der als der visionäre Vordenker des Staates Israel gilt. Sich seiner zu erinnern, ist in einer Zeit, in der über Postkolonialismus und Ähnliches schwadroniert wird, notwendiger denn je.
Bei der Verleihung der Moses Mendelssohn Medaille vor zehn Jahren in Potsdam sprach der Publizist Henryk Broder die Laudatio. Sie war amüsant gehalten und bemüht, zu erklären, warum gerade Friede Springer damit ausgezeichnet werde: »Wer, wenn nicht Sie, sollte diese Auszeichnung bekommen?«
Nun denn, liebe Friede Springer, jetzt, ein Jahrzehnt später, feiern Sie einen runden Geburtstag. Wir wiederholen deshalb Broders Glückwünsche, die er bei der Verleihung der Mendelssohn-Medaille an Sie aussprach. Es sind Wünsche, die nach wie vor gelten: »Bleiben Sie gesund, bleiben Sie, wie Sie sind! Und setzen Sie das Werk Ihres Mannes noch lange fort. Wir brauchen Sie!«