Die Meldung passt in den jüdischen Kalender. Am kommenden Sonntag ist Purim, das einzige Fest, an dem die Kinder Israels nicht nur saufen dürfen, sondern müssen. Der Talmud schreibt vor, dass an diesem Tag Juden so viel Alkohol trinken sollen, bis sie die Ausrufe »Verflucht sei Haman« und »Gepriesen sei Mordechai« nicht mehr unterscheiden können.
Pünktlich zu diesem schönen Anlass hat die israelische Regierung vergangenen Sonntag beschlossen, den CannabisKonsum zu entkriminalisieren. Kiffen soll künftig nicht mehr als Straftat gelten, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit.
Gerichtsverfahren Allerdings hat die neue Freiheit ihren Preis: 1000 Schekel, umgerechnet rund 250 Euro. So viel muss zahlen, wer zum ersten Mal mit einem Joint erwischt wird. Beim zweiten Mal verdoppelt sich die Buße, beim dritten Mal kommt noch ein zeitweiser Eintrag ins Strafregister dazu. Erst die vierte Tüte ist dann strafbar und zieht eine Anklage plus Gerichtsverfahren nach sich. Die Bußgelder sollen in einen Fonds zur Drogenprävention fließen.
Die neue Regelung geht auf eine Initiative von Knessetabgeordneten fast aller Parteien von Rechts bis Links zurück. So viel Einigkeit ist in der ansonsten zerstrittenen israelischen Politik selten. Ob die Parlamentarier bei ihren Beratungen einen Joint haben herumgehen lassen? Cannabis stimmt bekanntlich milde und versöhnlich. Die Vorsitzende des Knessetausschusses für (oder muss es korrekt heißen, gegen?) Alkohol- und Drogenmissbrauch, Tamar Zandberg, jedenfalls will wachsam bleiben. Der Regierungsbeschluss könne, so die Politikerin der Meretz-Partei, nur ein erster Schritt auf dem Weg zur völligen Freigabe von Haschisch und Marihuana sein.
Die, haben manche Israelbesucher naiverweise angenommen, besteht im jüdischen Staat schon längst. Bei abendlichen Spaziergängen an der Tel Aviver Strandpromenade mischt sich von jeher der harzige Geruch von Cannabis in die Meeresbrise. Polizisten, die dem illegalen Treiben Einhalt gebieten, sah man bisher selten.
Bracha Die neue zivile Rechtslage stellt allerdings einige religionsgesetzliche Fragen. Eine rabbinische Erklärung muss her, die halachisch begründet, ob Haschisch und Marihuana auch bei religiösen Riten an die Stelle von Wein treten können. Eine passende Bracha gibt es bereits: »Gepriesen seist du Ewiger, unser G’tt, Herr der Welt. Du hast wohlriechende Kräuter geschaffen.«
Dürfen Kiffer jetzt an Purim den Alkohol durch Joints ersetzen und sich die Birne so lange zudröhnen, bis »Haman, hihihi« und »Mordechai, hihihi« zu einem einzigen Kichern verschmelzen? Und kommen in vier Wochen beim nächsten Feiertag, Pessach, Mazzeknödel mit Haschisch und in Marihuana geräucherter Lachs auf den Sedertisch? (Wer diese Delikatessen einmal kosten will, dem sei »Rosenberg’s Bagels« in Denver/Colorado empfohlen. Chefkoch Joshua Pollack hat auch ein leckeres Rezept für gehackte Leber mit Marihuana entwickelt.)
Ob mit Alkohol oder Cannabis: Chag Purim Sameach und L’Chaim!