Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Harmonie ist nicht angesagt, wenn vom 3. bis 13. März zum elften Mal an der Schaubühne Berlin das Festival Internationale Dramatik stattfindet, eingängig zu F.I.N.D. abgekürzt. Theatermacher aus der ganzen Welt kommen zum Lehniner Platz und präsentieren ihre Arbeiten – bedeutende Unruhestifter meistens, wie Rodrigo Garcia aus Spanien oder das Territorija-Festival aus Moskau.
enfant terrible Auch der israelischen Regisseurin Yael Ronen gefällt es unbequem. Wahlweise Wunderkind oder Enfant terrible genannt, wagt sich die 1976 in Jerusalem geborene Ronen jetzt an Hanoch Levin, einen der wichtigsten Dramatiker der israelischen Literatur ›und bringt mit Morris Schimmel dessen letztes Stück auf die Bühne. Ha-noch Levin war der Provokateur des israelischen Theaters. Bis zu seinem Krebstod 1999 schrieb er unbequeme Stücke – mal große Untergangsspektakel, in denen die alten Mythen des jüdischen Volkes mit den neuen Problemen des israelischen Staates vermischt wurden, mal bittere Familiengeschichten mit jiddischen Wurzeln.
Zu Letzteren gehört auch Morris Schimmel, das am 9. und 10. März jeweils um 19.30 Uhr aufgeführt wird. Der titelgebende Protagonist ist 40, Junggeselle und lebt noch bei seiner Mutter, hat aber trotzdem große Pläne und Hoffnungen – zum Beispiel die, eine Frau aus Antwerpen zu heiraten. Doch nach ein paar Todesfällen in der Mischpoche und einer trostlosen Affäre mit einer unbelgischen Nachbarin verliert Schimmel langsam den Mut. Nicht einmal richtiges Leiden mag ihm gelingen.
In Deutschland sind Levin und seine Arbeit weitgehend unbeachtet geblieben. Morris Schimmel passt deshalb genau in das Konzept von Thomas Ostermeier, dem künstlerischen Leiter des Festivals, der gegen die »Musealisierung« von Klassikern und für deren Neu-Entdeckungen und Neu-Schreibungen plädiert. Levins Stück ist eine Produktion des Habima-Theaters Tel Aviv und Teil eines Austauschprogramms mit der Schaubühne. Im Juli wird Ostermeier im Gegenzug nach Israel reisen und dort einen Workshop zum Thema »Klassikeradaptionen« leiten.
Klischees Regisseurin Yael Ronen ist der Schaubühne auch sonst sehr verbunden, steht ihr Stück Die Dritte Generation doch seit fast zwei Jahren auf dem Spielplan der Berliner: ein richtiger Dauerbrenner, in dem junge Schauspieler aus Israel, Palästina und Deutschland mit Improvisationen die Vergangenheit ihrer Länder und Klischees verhandeln. Ostermeier spricht von einem außergewöhnlichem Erfolg. Dasselbe Team zeigt beim Festival auch die Workshop-Präsentation The Day Before the Last Day am 13. März um 18.30 Uhr: Im Jerusalem des Jahres 2071 bereiten sich Juden, Christen und Moslems auf den Weltuntergang vor.
Und natürlich geht es bei dem Festival auch um den Nahostkonflikt. Das hat F.I.N.D-Tradition. 2007 gab es einen Israel-Schwerpunkt, 2008 konzentrierte sich das Festival auf Palästina. Ostermeier begründet diesen wiederkehrenden Fokus auch mit seiner besonderen Verantwortung als Deutscher.
In diesem Jahr versuchen Regisseurin Ofira Henig, Leiterin des Herzliya- Ensembles, und der Dramatiker Taher Najib aus Um El-Fahm, Traditionen beider Länder zu vereinen. In Both Upon a Time am 7. März um 20 Uhr liegt der moderne Konflikt unter alten arabischen Märchenmotiven begraben, es geht um Nebeneinander und Miteinander und die Probleme einer gemeinsamen Geschichte. Unruhe erwünscht.
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