Ausnahmezustand. Das war es, was Walter Gropius, Direktor des Staatlichen Bauhauses in Weimar, im Oktober 1922 ausrief. Finanziell und politisch stieg der Druck auf die 1919 gegründete Kunstschule, endlich erste Ergebnisse des Schaffens zu präsentieren.
Intern hielten viele den Zeitpunkt verfrüht. Am Ende eröffnete die erste Bauhausausstellung - mit einem Monat Verspätung - am 15. August 1923 an drei Standorten ihre Tore. Finanziell war die Schau kein großer Erfolg, aber sie lockte in sechs Wochen rund 15.000 Besucherinnen und Besucher nach Weimar.
Schlicht, funktional, offen für alle: Mit seinem reformerischen Ansatz sorgte das Bauhaus für Interesse in linksliberalen Kreisen und Ablehnung bei Konservativen - nicht zuletzt wegen der egalitären Ideen, mit denen die »Bauhäusler« gesellschaftliche Unterschiede beseitigen wollten.
Pantheon Im Gebäude der Kunstschule selbst ging es um Raumgestaltung. Die verschiedenen Werkstätten präsentierten dort ihre Entwürfe, während Malerei und Skulpturen im Landesmuseum gezeigt wurden. Wie das Pantheon der Götter des Neuen Bauens liest sich die Liste der Künstler und Architekten, deren Entwürfe und Modelle in der angegliederten internationalen Architekturausstellung zu sehen waren: Gropius, Mies van der Rohe, Le Corbusier und mehr.
Zur Ausstellung erschien im eigens gegründeten Bauhausverlag das »Manifest Staatliches Bauhaus in Weimar 1919-1923«, die erste programmatische Schrift der Kunstschule. Die Schule selbst und ihre Werkstätten werden umfassend vorgestellt, während bekannte Künstler wie Paul Klee und Wassily Kandinsky theoretische Ansätze schrieben.
Revolutionär Bauhaus-Direktor Gropius proklamierte unterdessen zur ersten Bauhaus-Ausstellung einen Kurswechsel. War das anfängliche Streben, in einer Art Arbeitsgemeinschaft aus Kunstgewerbeschule und Kunsthochschule die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker zu überwinden, markierte der Vortrag, mit denen Gropius die fünftägige »Bauhaus-Woche« zum Auftakt der Ausstellung eröffnete, den Übergang vom Handwerk zur Industrie. Unter den Schlagworten Kunst und Technik warb Gropius für die Entwicklung von Prototypen für die industrielle Fertigung. Gebrauchsgegenstände sollten kostengünstig in Serie produziert werden.
Das gleiche Prinzip wurde auf die Architektur übertragen, auf das »Haus am Horn« etwa, eigens als Kernstück der Bauhaus-Ausstellung von 1923 in wenigen Monaten errichtet. Das Musterhaus im Bauhausstil war strikt der Neuen Sachlichkeit verpflichtet - von der Fassade über das Mobiliar bis hin zu den cremefarbenen Vorratsbehältern für Mehl, Reis und Zucker, einem Entwurf des späteren Laacher Benediktinermönchs Theodor Bogler. Entworfen von dem Maler, Grafiker und Bauhaus-Meister Georg Muche und umgesetzt vom Baubüro Gropius, sollten Bau und Ausstattung in ihrer Gesamtheit die Bauhaus-Idee verkörpern. Alle Werkstätten hatten an dem Versuch mitgearbeitet, das dann in größere Produktion gehen sollte.
Doch der geplante Bau einer gesamten Bauhaus-Wohnanlage um das Musterhaus herum blieb aus. So sollte das weltweit erste Bauhaus-Gebäude auch das einzige am Bauhaus-Gründungsort Weimar bleiben. Das »Haus am Horn«, seit 1996 Teil des Welterbes der Unesco, diente bis 1998 als Wohnhaus. Heute, nach mehreren Restaurierungen, ist es Museum.
Auch die Bauhaus-Ausstellung sollte die einzige Weimarer Schau zu Lebzeiten der Kunstschule bleiben. 1925 beschloss der Meisterrat des Bauhauses den Umzug nach Dessau. Zu groß war die Ablehnung des konservativen Weimarer Milieus und schließlich auch der Konflikt mit der 1924 gewählten konservativen Thüringer Landesregierung.
100 Jahre Heute ist man in Weimar stolz, Wiege der Bildungsstätte zu sein, die als eine, wenn nicht die einflussreichste Einrichtung in Sachen Architektur und Design im 20. Jahrhundert gilt. »Das Bauhaus kommt aus Weimar«, hieß die große Ausstellung, die zum 90. Bauhaus-Jubiläum dort zu sehen war. Auch »100 Jahre Bauhaus-Ausstellung« nimmt die Stadt zum Anlass, »den revolutionären Geist des jungen Bauhauses« zu feiern, der »die europäische Künstleravantgarde« mit »bahnbrechenden Ideen« nach Weimar brachte.
Das Bauhaus selbst war 1932 auf Druck der Nationalsozialisten geschlossen und nach einem kurzen Intermezzo in Berlin-Steglitz 1933 komplett aufgelöst worden. Sein Stil lebte andernorts noch eine Weile weiter, etwa in der damals jugendlichen Stadt Tel Aviv, die zahlreichen Bauhaus-Architekten ein neues Zuhause bot. Auch die »Weiße Stadt« gehört mittlerweile zum Unesco-Weltkulturerbe und ist mit rund 4000 Bauhaus-Bauten die unbestrittene Hauptstadt des Bauhauses.