Die Wünsche und Erwartungen waren vielfältig. »Neue Bündnisse schaffen«, »Jüdisch und feministisch zusammenbringen«, »Strukturen und Organisationen kennenlernen, in denen wir etwas für Frauen bewegen können«, oder einfach nur: »Schöne Zeit zusammen verbringen«. 80 jüdische Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren kamen vergangene Woche zum viertägigen »Jewish Women Empowerment Summit« nach Frankfurt.
Die Plattform für Bildung, Vernetzung, Befähigung und gesellschaftlichen Diskurs wurde von der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland in Kooperation mit der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) und der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) ausgerichtet.
Neue Räume schaffen, die man gemeinsam gestalten kann.
Zur Begrüßung erklärte Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung, sie stamme aus einer anderen Generation und habe einen Ort wie das Summit nicht gehabt: »Ein Forum, wo wir uns austauschen, diskutieren, wo wir uns vernetzen und begegnen.«
Gespräch Auch ZWST-Referentin und Abteilungsleiterin Laura Cazés und JSUD-Präsidentin Anna Staroselski sprachen über die Ziele des Treffens. »Wir tun es mit dem Anspruch, einen Raum zu schaffen, den wir gemeinsam gestalten können«, so Cazés. »Miteinander ins Gespräch kommen, voneinander lernen, sich gegenseitig empowern«, das solle laut Staroselski im Vordergrund stehen.
Solidarität war das große Thema. »Durch die Pandemie, wo Care-Arbeit, die Rolle von Frauen, das Gegenseitig-aufeinander-achtgeben eine Rolle gespielt haben, haben wir uns entschieden, Solidarität als Thema zu wählen und wie einen Faden durch die Konzeption zu ziehen«, betonte Donath. Es sei vor allem auch darum gegangen, »dass wir über weibliche Solidarität im Umgang mit Konflikten reden, in der Frage der Allianzen- und Netzwerkbildung«.
Das Bestreben, Allianzen über die jüdische Gemeinschaft hinaus zu etablieren, schlug sich unter anderem in einem »Zoom«-Gespräch nieder, das Cazés mit Aminata Touré, Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtags, führte.
flüchtlinge Die 1992 geborene Grünen-Politikerin erzählte, dass zwar viel über Flüchtlinge gesprochen werde, diese aber nicht in der Politik vertreten seien. Sie sei selbst in einer Flüchtlingsunterkunft aufgewachsen und kenne die Erfahrung, ausgeschlossen zu werden, so die afrodeutsche Politikerin. Sie sprach aber auch über bestärkende Menschen in ihrem Leben. Ihre Mutter habe ihr immer gesagt: »Es gibt nichts, was du nicht kannst.«
Die Hürden, auf die Frauen im Berufsleben treffen, standen im Fokus einer von JSUD-Geschäftsführerin Noa Luft moderierten Podiumsdiskussion. »Ich bin ratlos, weshalb Frauen noch immer unterrepräsentiert sind«, sagte die Erziehungs- und Politikwissenschaftlerin Meltem Kulaçatan in Bezug auf den Wissenschaftsbetrieb.
Männliche Erwerbsbiografien würden dort bevorzugt. Sie forderte ein Verständnis von Heterogenität und Diversität. Es sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, merkte Gila Baumöhl, persönliche Referentin des Zentralratspräsidenten Josef Schuster, an.
Verantwortung In Unternehmen erfahren Frauen weniger Personalentwicklung, beklagte Ira Rosensaft, die in der Unternehmensberatung und der IT-Branche tätig war und im September zur ZWST zurückkehrt. Sie plädierte dafür, Themen wie Geld, Macht und Politik nicht Männern zu überlassen.
»Liebe Frauen, Gestaltungsmacht ist etwas sehr Schönes«, erklärte auch Meltem Kulaçatan. Frauen müssten freier, entspannter und ernster über Geld sprechen: »Alles steht und fällt mit einer Eigenverantwortung für die eigene ökonomische Situation.«
Dass es in der jüdischen Gemeinschaft möglich ist, als Frau Führungsverantwortung zu übernehmen, beweisen Jennifer Marställer, Direktorin der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sowie Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden.
repräsentanz Als Österreicherin und damals Nicht-EU-Bürgerin habe Traub in Deutschland nicht als Psychotherapeutin arbeiten dürfen, daher bot sie ehrenamtlich Sprachkurse für Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion an. Daraus wurde bald mehr. »Als ich begonnen habe, war ich die einzige Frau in der Repräsentanz«, sagte Traub.
Auch die Vereinbarkeit von Familie von Beruf wurde besprochen.
Ihr Vater sei im Frankfurter Gemeinderat und -vorstand gewesen, so Marställer. Ihre Mutter habe die Gemeindezeitung herausgegeben. 2013 sei sie gefragt worden, ob sie sich als Direktorin bewerben möchte. Die Rechtsanwältin konnte sich durchsetzen. »Ich möchte für meine Gemeinde, die mir Rückhalt gegeben hat, da sein«, erläuterte Marställer ihre Motivation. Es gehe darum, etwas zurückzugeben.
rolle Zur Rolle der Frau im Judentum sagte Marställer, sie sei nicht zweitrangig, sondern sehr wichtig. Traub vertrat ebenfalls diese Ansicht: »Ich habe es nie so wahrgenommen, dass die Frau hinter dem Mann steht.« Im Arbeitsleben habe sie keine Einschränkungen erlebt, betonte Marställer.
Auch die Vereinbarkeit von Familie von Beruf wurde besprochen. Teilzeitarbeit und geteilte Elternzeit seien dafür ganz wichtig, so Traub. »Es ist heute um vieles leichtes als vor 30 Jahren«, stellte sie fest. Sie arbeite in Vollzeit, sei zudem »Mama, Ehefrau, Köchin und Putzfrau«, berichtete Marställer. Dieser Mehrfachrolle fühlt sie sich gewachsen: »Ja, es ist belastend, aber es lässt sich machen, wenn man es möchte.«