Herr Hope, in Ihrem neuen Buch »Toi, toi, toi! Pannen & Katastrophen in der Musik« schreiben Sie, dass Musiker oft sehr abergläubisch sind. Wie ist das bei Ihnen, tragen Sie bei Auftritten stets eine Hasenpfote bei sich?
(lacht) Nein, ich habe einen anderen Glücksbringer. Meine Hasenpfote ist ein bestimmtes Seidentuch, das ich bei Konzerten immer dabei habe. Ich weiß, dass das irrational ist, aber diese Art von Routine beruhigt mich irgendwie. Dabei kann einem nichts und niemand helfen, wenn man auf der Bühne steht und ein teuflisch schweres Solo spielen muss.
Welches war Ihre bisher größte Panne bei einer Aufführung?
Das schlimmste Erlebnis hatte ich bei einem Konzert in Frankreich, als mir mitten in einem Streichquartett von Mozart eine Saite riss. Sie war mit solcher Wucht zersprungen, dass sie mir ins Gesicht schnellte und das messerscharfe Metall meine Oberlippe aufschnitt. Das Blut tropfte ohne Unterlass, sodass ich hinter der Bühne behandelt werden musste. Doch das war noch nicht alles …
… Murphys Gesetz …
…genau, »alles, was schiefgehen kann, geht auch schief«. Als ich auf die Bühne zurückkehrte, kicherten meine Mitspieler jedes Mal, nachdem sie zu mir geblickt hatten. Erst leise und heimlich, aber bald darauf schon ganz unverhohlen. Schließlich brachen sie in überbordendes Lachen aus – der ganze Saal lachte laut und fröhlich mit.
Was war geschehen?
An meiner geplatzten Lippe war von der ärztlichen Behandlung ein großes Stück blutgetränktes Papier kleben geblieben. Das muss in etwa so ausgesehen haben wie die Nudel in dem populären Sketch von Loriot. Zu allem Überfluss musste ich nach dem Konzert auch noch feststellen, dass ein Hund, der durch eine offene Außentür hereinspaziert war, auf meinen Instrumentenkoffer gepinkelt hatte.
Wie geht man als Musiker auf der Bühne am besten mit einem Fauxpas um?
Man sollte nicht versuchen, es zu überspielen. Das macht es oft noch schlimmer. Ich habe festgestellt, dass das Publikum für Missgeschicke jeder Art großes Verständnis hat, wenn man offen damit umgeht. Das ist für einen Künstler eine sehr beruhigende Erkenntnis.
Inwiefern?
Die Panik vor Auftritten ist schlicht und einfach unbegründet. Selbst nach der größten Panne geht es weiter. Wir Musiker sind eben auch nur Menschen.
Sie sind ein Schüler des legendären Yehudi Menuhin. Erinnern Sie sich an ein Malheur Ihres Lehrers?
Ob Bernstein oder Barenboim, sogar Genies machen Fehler. Auch Menuhin. Als ich sechs Jahre alt war, besuchte ich eine Aufführung von ihm, in der er mit seiner Schwester Hephzibah am Klavier Beethovens Kreutzer-Sonate spielte. Nachdem er einen plötzlichen Blackout hatte und nicht mehr zurück in das Stück fand, brach er ab. Ein Raunen ging durch den Saal. Yehudi aber lächelte und sagte mit seinem unwiderstehlichen Charme: »I’ve forgotten how it goes.« Die beiden fingen einfach von vorne an – es war ein grandioses Konzert.
Haben Sie so etwas wie eine Lieblingsanekdote von Pannen anderer Musiker?
Da gäbe es viele, eine regelrechte Katastrophe war die Geschichte, die dem Pianisten Krystian Zimerman widerfuhr. Wie früher Horowitz nimmt er stets seinen eigenen Flügel mit auf Tournee. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 reiste er nach New York und schickte seinen geliebten »Steinway« per Luftfracht voraus. Den Kontrolleuren am Airport kam die Riesenkiste aus irgendeinem Grund nicht koscher vor, und sie sprengten sie kurzerhand in die Luft. Meines Wissens konzertiert Zimerman nicht mehr in den Staaten.
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Daniel Hope, 1974 in Durban/Südafrika geboren, ist in London aufgewachsen. Er nahm Unterricht bei Yehudi Menuhin. Von 2002 bis 2008 war er Mitglied des Beaux Arts Trios, das unter anderem mehrfach mit dem Klassik-Echo ausgezeichnet wurde. In seinem 2007 veröffentlichten Buch »Familienstücke« erzählt Hope die Geschichte von seinen deutsch-jüdischen Vorfahren, die sich vor den Nazis nach Südafrika retteten. Dieser Tage ist bei Rowohlt sein neues Buch »Toi, toi, toi! Pannen & Katastrophen in der Musik« erschienen.