Times of Israel

Alles außer Iwrit

Die Nachrichtenseite erreicht weltweit Millionen Leser – auch auf Arabisch

von Lissy Kaufmann  23.10.2017 19:54 Uhr

Aktuell, international und liberal: die Online-Zeitung »Times of Israel« mit Sitz in Jerusalem Foto: Thinkstock, Montage: Marco Limberg

Die Nachrichtenseite erreicht weltweit Millionen Leser – auch auf Arabisch

von Lissy Kaufmann  23.10.2017 19:54 Uhr

Was? Times of Israel? Fragt man Israelis nach dem israelischen Nachrichtenportal, ziehen viele von ihnen fragend die Augenbrauen zusammen oder zucken mit den Schultern. Dass »Times of Israel« neben der englischsprachigen Ausgabe auch auf Farsi, Arabisch, Französisch und Chinesisch erscheint – davon haben einige im Land noch nie etwas gehört. Dabei kommt das Medium nach eigenen Angaben mittlerweile auf 3,5 Millionen Leser im Monat und machte neulich gar selbst Schlagzeilen, als eine seiner Bloggerinnen, die Iranerin Neda Amin, in Israel aufgenommen wurde.

Die Regimekritikerin Amin, die in den vergangenen Jahren als Flüchtling in der Türkei lebte, sollte in den Iran ausgewiesen werden, wo ihr die sofortige Verhaftung und möglicherweise die Todesstrafe drohte. Der türkische Geheimdienst beschuldigte sie, »für Israel zu spionieren«. David Horovitz, Chefredakteur der Times of Israel, setzte sich dafür ein, dass sie nach Israel kommen konnte – für Neda Amin die Rettung.

finanzierung Dass Times of Israel selten auf der Leseliste der Israelis steht, liegt vermutlich auch daran, dass Hebräisch keine der fünf Sprachen ist, in denen veröffentlich wird. Hauptsprache des 2012 gegründeten Nachrichtenportals ist Englisch. Es ist eine der Besonderheiten des Einwanderungslandes Israel: Neuankömmlinge, die erst noch Hebräisch lernen müssen, und jene, die in der Diaspora leben und dennoch interessiert sind an der Nachrichtenlage im Land, haben eine große Auswahl an englischsprachigen Medien, die über Israel berichten, wie beispielsweise Ynet, Haaretz oder Arutz Scheva.

Für den Mitgründer und Chefredakteur David Horovitz, ehemaliger Leiter der konservativ ausgerichteten Zeitung »Jerusalem Post«, hat der Schwerpunkt auf der englischsprachigen Ausgabe auch ganz persönliche Gründe: »Ich komme ursprünglich aus London, meine Muttersprache ist Englisch, und die Sprache ist nun mal das Mittel, um auf diesem Gebiet Glaubwürdiges zu erschaffen.«

Horovitz hatte die Idee für das Projekt und einen finanzstarken Partner an seiner Seite: den amerikanischen Hedgefonds-Manager und Milliardär Seth Klarman. »Ich hatte ihm die Idee vorgestellt, weil ich überzeugt war, dass dafür noch Platz in der israelischen Medienlandschaft war. Es ist ein 50-50-Unternehmen; er ist der Investor, ich leite die redaktionelle Arbeit.«

Einfluss Mit einem reichen Investor im Hintergrund ist Times of Israel nicht allein: Auch andere israelische Medien profitieren von Gönnern, das wohl bekannteste Beispiel ist »Israel Hayom«, eine hebräischsprachige, gedruckte Zeitung, die täglich kostenlos an Bahnhöfen und Straßenecken verteilt und von dem Multimilliardär Sheldon Adelson finanziert wird.

Haben die Gönner Einfluss auf die Berichterstattung? Im Falle von Israel Hayom, in Israel auch spöttisch »Bibiton« genannt, ist das immer wieder Hauptkritikpunkt: Sheldon Adelson gilt als Unterstützer von Benjamin »Bibi« Netanjahu, dementsprechend unausgeglichen berichtet das Blatt. Jüngst musste sich Netanjahu gegen Vorwürfe wehren, dass er kurz vor und nach der letzten Parlamentswahl die Schlagzeilen in Israel Hayom mit Adelson abgesprochen haben soll.

Genau das will Horovitz nicht sein: parteiisch. »Für mich war es wichtig, dass wir keine politischen Interessen verfolgen. Unvoreingenommenheit und Objektivität gibt es zwar nicht. Aber wir versuchen, dem so nahe wie möglich zu kommen.« Ist das möglich? Schließlich hat auch Seth Klarman – zumindest was die amerikanische Politik angeht – klare Positionen: Er ist ein Republikaner, der vor Donald Trump warnte und deshalb die Demokratin Hillary Clinton unterstützte. Horovitz verweist dagegen auf die klare Rollenteilung: Der Investor habe mit der redaktionellen Arbeit der eher liberal ausgerichteten Zeitung nichts zu tun.

iran Ob Klarman der rund 25-köpfigen Redaktion mit Sitz in Jerusalem wirklich keine Vorgaben macht und wie die Finanzlage des Medienunternehmens aussieht, ist nicht bekannt. Zu Letzterem gibt die Times of Israel keine Auskunft. Horovitz betont aber, dass die Zeitung kein Wohltätigkeits-, sondern ein Businessprojekt sei, das sich auch über Werbung auf seiner Website finanziert. Entscheidungen würden dementsprechend gefällt – meistens zumindest. Ob es aus unternehmerischer Sicht eine gute Idee war, die Seite auch auf Farsi und Arabisch anzubieten – wenn auch hauptsächlich nur aus dem Englischen übersetzt wird –, bleibt fraglich.

Zwar gibt Times of Israel auch darüber keine genauen Auskünfte, welche Sprachen die 3,5 Millionen Leser im Monat lesen. Doch ob ein israelisches Medium in der arabischsprachigen Welt und im Iran – also im Feindesland – sonderlich gut ankommt, ist zweifelhaft. Doch darum ging es in diesen beiden Fällen ausnahmsweise nicht, erklärt Chefredakteur Horovitz.

»Die Geschichte, die mich nachdenklich stimmte, war, als der damalige ägyptische Präsident Mohammed Mursi in einem Brief warme Worte an den damaligen Präsidenten Schimon Peres richtete.« Damals gab es heftige Diskussionen auf ägyptischer Seite, die Muslimbruderschaft nannte es ein »zionistisches Fabrikat«. Und Horovitz dachte: »Wir haben ja die Briefe vorliegen, wir sollten sie zugänglich machen – selbst wenn wir damit nur einige wenige Leser in Ägypten erreichen.«

Chinesisch Anders sieht es bei der französischsprachigen Ausgabe aus: Hier kann Times of Israel auf die vielen Einwanderer aus Frankreich und die mehr als 500.000 Juden in Frankreich selbst zählen. Mit der chinesischen Ausgabe will sie hingegen Nachrichten über israelische Innovationen und die Hightech-Szene in den Fernen Osten bringen.

Damit ist Times of Israel wohl das israelische Medium mit den meisten Sprachausgaben, immer wieder kam eine neue dazu. Eine Erfolgsgeschichte, auch wenn ein großer Teil der 3,5 Millionen Leser wohl eher die englische Ausgabe lesen dürfte.

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