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»Diese Menschen verstehen zu feiern«: Szene aus »So ein Schlamassel« mit Focus-Chef Helmuth Markwort (2. Reihe m.) als »Schlomo« Foto: ARD

»Wenn ich mal eine Familie habe, möchte ich einen richtig großen Weihnachtsbaum haben.« Nach dem ersten Sex sagt ein Mann so etwas normalerweise nicht zu der Frau, in die er sich gerade verliebt hat. Aber in den Schmonzetten, die die ARD-Tochter Degeto produziert und die am Freitagabend zur besten Sendezeit im Ersten laufen, ist nichts unmöglich. In So ein Schlamassel, das die ARD am 29. Januar zeigt, spricht so der männliche Held, ein Landschaftsarchitekt namens Marc Norderstedt (Johannes Zirner). Ein Teil der Handlung ist rund um die Weihnachtszeit angesiedelt, und in der Wohnung der Angebeteten (Natalia Avelon) findet sich – na so was! – gar kein Hinweis auf das Christfest. Warum nicht, erzählt die neue Flamme Marc lieber gleich beim postkoitalen Geplauder, weil er es ja sowieso erfahren muss: Sie ist Jüdin.

chassidische lesbe Das Thema Juden in Deutschland hatte die gebührenfinanzierte Märchenmanufaktur Degeto bisher noch nicht verwurstet. Aber Daniel Wolf (Buch) und Dirk Regel (Regie) haben kein Problem damit, auch dieses Sujet in das übliche Freitagabend-Herzschmerz-Muster zu packen. Die Heldinnen von Degetofilmen – mal eine »Scheidungsberaterin in Bangkok«, mal eine »hübsche Marketingexpertin« oder eine »erfolgsverwöhnte Managerin« – geraten in der Regel in schwierige neue Lebenssituationen, die es aber immerhin mit sich bringen, dass der richtige Mann auftaucht – oder es taucht der richtige Mann auf, und kurz danach beginnen die Probleme. Auch in So ein Schlamassel: Nachdem Jil Grüngras, eine »erfolgreiche Steuerberaterin«, Marc kennen- und lieben gelernt hat, entscheidet sie, ihrer Familie vorzugaukeln, der Auserwählte sei jüdisch. Vater, Großvater, Tante, Onkel – sie alle wollen nämlich auf gar keinen Fall, dass Jil mit einem Goi zusammenlebt. So lässt sie Marc bei ihrer besten Freundin, einer »chassidischen Lesbe« (ARD), einen Crashkurs in jüdischem Brauchtum absolvieren, um ihn kulturell fit zu machen für das erste Schabbatessen im Hause Grüngras.

wunderwelt Eine Frau, die derart bescheuerte Einfälle hat, würde in der Wirklichkeit die Prüfung zur Steuerberaterin wahrscheinlich nicht bestehen. Aber wir befinden uns hier in der Welt der Degeto, in der Familien Einfluss nehmen auf die Beziehungen ihrer erwachsenen Kinder und diese, obwohl bereits Anfang 30 und beruflich erfolgreich, sich verhalten wie Teenager in den 50er-Jahren. Zwischendurch geht die Beziehung zeitweilig in die Brüche, weil sich bei einem Abendessen im Hause Norderstedt einige Familienmitglieder als Antisemiten entpuppen. Doch das renkt sich wieder ein und Jil lädt die Eltern des Lovers zur Barmizwafeier ihres Großcousins ein – als sei so was das Erste, das man so tut, wenn eine Beziehung wieder ins Lot kommt. Bei dem Fest wird Jils Schwiegervater dann gewissermaßen zum Philosemitismus bekehrt, dank Alkohol, Musik und Tanz. »Diese Menschen verstehen zu feiern«, jubelt er. Dummerweise entdeckt kurz darauf der Großcousin beim Pinkeln, dass Papa Norderstedt nicht beschnitten ist, und der Schwindel, den Jil ihrer Familie aufgetischt hatte, fliegt auf. Der titelgebende Schlamassel, in dem sich das Liebespaar befindet, reicht den Filmemachern aber nicht. Nebenher muss Jil zur Superfrau avancieren und das Verhältnis zwischen ihrem Großcousin und dessen Vater reparieren, außerdem per Handyanruf nach New York die Beziehung ihrer lesbischen Freundin retten. Diese revanchiert sich für die gute Tat und taucht im Krankenhaus auf, wo sich Familie Grüngras gerade am Bett von Jils Großvater versammelt hat, der zusammengebrochen ist, nachdem er erfahren hat, dass Marc ein Goi ist.

exoten Die ARD preist den Film als »interkulturelle Love Story« an; die Zeitschrift TV Spielfilm trompetet dieselbe Botschaft noch ein bisschen schriller in die Welt: Der Film entführe »den Zuschauer in die gleichermaßen fremde wie faszinierende Welt der Juden im Deutschland der Gegenwart«. Ganz abgesehen von den hanebüchenen Drehbuchideen und allerlei handwerklichen Makeln (die Filmemacher sind nicht einmal in der Lage, die Verliebtheit der Protagonisten in Szene zu setzen): Jüdische Deutsche werden in diesem Film so gezeigt, wie es die Mehrheit der Bundesbürger wohl am liebsten hat – als Fremde. Deutsche Juden erscheinen als Exoten, die gojimfeindlich, also ein bisschen rassistisch sind, aber durchaus auch lernfähig (schließlich braucht der Film ein Happy End) und letztlich irgendwie liebenswert schrullig. In einem Kinofilm wie Alles auf Zucker – der ein breites Publikum erreicht und zahlreiche Preise gewonnen hat – kommen deutsche Juden als normale Bürger vor. In einer öffentlich- rechtlichen Fernsehproduktion scheint das immer noch nicht möglich zu sein.

»So ein Schlamassel«, Das Erste, Freitag, 29. Januar, 20.15 Uhr

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