Wenn Deborah Feldman Lust hat, in die Synagoge zu gehen, dann geht sie. Und wenn sie keine Lust hat – dann bleibt sie halt zu Hause. Diese Entscheidung ist Freiheit. Eine Freiheit, die sich die 30-Jährige hart erkämpft hat.
Denn Feldman, die heute mit ihrem zehnjährigen Sohn in Berlin lebt, entschied sich, ihr Leben in der kontrollierten und abgeschlossenen Gemeinschaft der Satmarer Juden in New York zu beenden und trotz Einschüchterungsversuchen und Drohungen mit einem weltlichen Leben »draußen« ganz von vorn anzufangen.
Williamsburg Wie ihr das gelang, davon erzählte Feldman am Dienstagabend im Berliner Ensemble. Im Gespräch mit der ARD-Journalistin Anja Bröker, die Feldman über ihren Blog kennengelernt und später eine kleine TV-Doku über sie gedreht hatte, gab Feldman einen Einblick in das Leben einer jungen Frau, die bereits seit frühester Kindheit ihr Leben hinterfragte, die spürte, dass sie anders war, und die ahnte, dass sie das orthodoxe Williamsburg eines Tages verlassen würde.
Dass es sie in das weltoffene Berlin führen würde, war der zehnjährigen Deborah, die sich unerlaubterweise in eine städtische Bibliothek stahl, natürlich noch nicht klar. Aber das Mädchen war fasziniert von weltlichen Büchern. Und so versteckte sie sie heimlich unter ihrem Bett – ähnlich wie es ihre Bubbe, die Großmutter, mit ihren Büchern tat, nur dass die damals im Unterwäscheschrank landeten, um sicher zu gehen, dass kein Mann sie sah.
Heirat Feldman spart nichts aus, lässt das Publikum nicht nur an ihrem Leben heute als Berlinerin mit jüdischer Identität teilhaben, sondern auch an intimsten Erfahrungen: dem Besuch eines Heiratsvorbereitungskurses, dem ersten Sex, der Erkenntnis, dass ihr reglementiertes Leben als Verheiratete eine noch strengere Färbung annehmen soll.
Wie lebt sie heute, fühlt sie sich noch jüdisch, was sagt ihr kleiner Sohn dazu? Alle diese Fragen aus dem Publikum beantwortet Deborah Feldman ehrlich und auch etwas selbstironisch. Denn ihr Optimismus von damals ist, gesteht sie, einem Realismus gewichen. Aber so schlimm sei das gar nicht, stellt Feldman fest. Es ist eigentlich typisch Berlin. Und das scheint auch Feldman geworden zu sein: eine junge, emanzipierte, berufstätige Mutter, die bei sich angekommen ist, mitten im Leben. Besser hätte die Botschaft einer Buchvorstellung am Internationalen Frauentag wohl nicht sein können.
Deborah Feldman: »Unorthodox«. Aus dem amerikanischen Englisch von Christian Ruzicska. Secession Verlag für Literatur, Zürich 2016, 319 S., 22 €