Literatur

»Aliens mögen Juden nicht«

Gideos Böss Foto: Marijan Murat

Herr Böss, für Ihr neues Buch »Deutschland, deine Götter« haben Sie sich auf Entdeckungsreise zu den 30 größten Religionsgemeinschaften in Deutschland begeben. Was haben Sie dabei übers Judentum erfahren?
Dass das Judentum die großen monotheistischen Religionen geprägt hat, wusste ich im Groben schon vorher. In welchem Maße das aber der Fall ist, hat mich dann doch verblüfft. Das Judentum ist eine Art theologischer Steinbruch, aus dem Christentum und Islam sich eifrig für den Bau ihrer eigenen Religionen versorgt haben.

Welchen Eindruck haben Sie vom Judentum im Vergleich zu den anderen Religionen gewonnen?
Es ist auf jeden Fall die wirkmächtigste Religion mit vielen bis heute prägenden Protagonisten. Wären Religionen Fußballmannschaften, hätte der 1. FC Judentum mit Spielern wie Abraham, Isaak, Jakob oder Moses einige der absoluten Superstars in seinen Reihen. Außerdem gibt es nur wenige Religionen, die eine solche Vielfalt an Lebens- und Glaubensvorstellungen hervorgebracht haben, von ultraorthodox bis extrem liberal. Und gleichzeitig ist es eine sehr friedfertige Religion.

Sie haben auch die Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters, Scientology und die Hexenreligion Wicca besucht. Welchen Glauben finden Sie am skurrilsten?
Die Pastafarianer sind ganz schön abgedreht. Das haben nur noch die Raelisten getoppt.

Weshalb?
Raelisten gehen davon aus, dass wir von höher entwickelten Menschen geklont wurden, und wollen ihnen nun eine Botschaft in Jerusalem – ausgerechnet dort! – bauen, damit diese Aliens uns besuchen können. Ach so, schlechte Nachrichten: Die Aliens mögen Juden nicht, weil sie sich von ihnen verraten fühlen. Antisemitismus gibt es also auch im Weltall.

Rund 65 Prozent aller Deutschen sind in einer Religion organisiert. Was suchen die Menschen im Glauben – und was finden sie?
Sie suchen entweder Sicherheit in existenziellen Fragen oder sozialen Anschluss – oft auch beides zugleich. Es beruhigt viele religiöse Menschen, zu wissen, dass da ein größerer Sinn hinter allem steht. Ein Pastor sagte mir etwa, dass er den Tod seines Sohnes vor allem deswegen verkraften konnte, weil er weiß, dass Gott sich etwas dabei gedacht hat.

Hat sich Ihre persönliche Einstellung zur Religion durch das Buch verändert? Und gibt es einen Glauben, der Ihnen am sympathischsten ist?
Ich bin nicht gläubig und hatte auch nie ein Bedürfnis danach. Daran hat auch meine Reise nichts geändert. Ich halte es mit Schopenhauer: Glaube und Wissen sind wie Wolf und Schaf in einem Käfig. Aber ich nehme keinen Anstoß an der Religion. Für mich ist jede in Ordnung, wenn sie Menschen weder daran hindert, sie zu verlassen, noch gewaltsam versucht, sie zum Glauben zu zwingen.

Mit dem Berliner Publizisten und Journalisten sprach Philipp Peyman Engel.

Interview

»Es gilt für mich eine Null-Toleranz-Politik gegen Antisemitismus«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer über seine erste Amtshandlung, seine Vorgängerin Claudia Roth und den Umgang mit der antisemitischen BDS-Bewegung

von Philipp Peyman Engel  09.05.2025

Julia Bernstein

»Nichts ist mehr wie zuvor«: Wie junge jüdische Münchner den 7. Oktober erleben

»Jüdisch oder gar israelisch zu sein, ist heute in Deutschland eine äußerst politische Angelegenheit oder gar für manche eine Provokation«, schreibt unsere Autorin

von Julia Bernstein  09.05.2025

Konzerte

Große Gefühle

Musiker des Israel Philharmonic Orchestra und der Münchner Philharmoniker spielen gemeinsam

von Katja Kraft  09.05.2025

New York

»Ich schlief zeitweise im Central Park«

»Transformers«-Star Shia LaBeouf erzählt von einem ungewöhnlichen Schlafplatz während der Proben für ein Theaterstück

 09.05.2025

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 08.05.2025

Statistik

Dieser hebräische Jungenname bleibt der beliebteste in Deutschland

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat sich für ihre Erhebung die Daten deutscher Standesämter angeschaut

 08.05.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  08.05.2025

Schweiz

Israel warnt vor Reisen zum ESC

Den Eurovision Song Contests in Basel als Jude oder Israeli zu besuchen, könnte gefährlich werden: Das befürchtet Israels Sicherheitsrat und empfiehlt Bürgern Zurückhaltung und Wachsamkeit

 08.05.2025

Geschichte

Kampf ums Überleben

Jochen Hellbeck analysiert in seinem neuen Buch den deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion und die Rolle ihrer jüdischen Bürger im Zweiten Weltkrieg

von Dmitirj Belkin  08.05.2025