Jubiläum

Alfred Grosser wird 90

Alfred Grosser Foto: dpa

Der Name von Alfred Grosser ist eng mit der deutsch-französischen Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Der Intellektuelle mit deutsch-jüdischen Wurzeln lehrte bis 1992 als Professor an der Pariser Elitehochschule Sciences Po (Institut d’études politiques de Paris). Grosser, der über Jahrzehnte in Zeitungskolumnen und im Rundfunk das aktuelle politische Geschehen kommentiert hat, feiert heute seinen 90. Geburtstag.

Grosser hat zahlreiche Bücher über Deutschland und Frankreich verfasst. Im vergangenen Jahr hielt er im Bundestag die Gedenkrede zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.

Für seine Rolle als Mittler zwischen Deutschen und Franzosen wurde er vielfach geehrt. 1975 bekam er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Im Mai 2014 wurde er für seine langjährigen Bemühungen um die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland mit dem Henri-Nannen-Preis für sein publizistische Lebenswerk ausgezeichnet.

Flucht Grosser wurde 1925 als Sohn eines jüdischen Kinderarztes in Frankfurt am Main geboren. Seine Familie floh 1933 vor den Nationalsozialisten nach Frankreich, wo der Vater kurz nach der Ankunft starb. Die Mutter erhielt 1937 mit ihren Kindern die französische Staatsbürgerschaft. Während des Zweiten Weltkrieges starb Grossers Schwester 1941 auf der Flucht vor den deutschen Besatzern an einer Blutvergiftung. Grosser ist seit über 50 Jahren verheiratet und hat vier Söhne.

Nach dem Krieg und seinem Politikwissenschaft- und Germanistikstudium begann Grosser, sich für die Aussöhnung der beiden Nachbarvölker zu engagieren. Der Wissenschaftler vertritt die Auffassung, dass im Zusammenhang mit den Verbrechen in der NS-Zeit nicht von einer Kollektivschuld der Deutschen gesprochen werden kann. Grosser, der sich als christlich beeinflusster Atheist bezeichnet, ist ein wacher und kritischer Beobachter der christlichen Kirchen.

Im November 2010 löste ein Auftritt Grossers als Redner in der Frankfurter Paulskirche Kritik aus. In einer Gedenkstunde zur Erinnerung an die NS-Pogromnacht 1938 bekräftigte er seine kritische Haltung zur Besatzungspolitik Israels in den Palästinensergebieten.

Die Menschenrechte seien unteilbar, unterstrich Grosser. Bereits in seinem 2009 erschienenen Buch Von Auschwitz nach Jerusalem beschäftigte er sich mit der Frage, wie scharf Israel wegen seiner Besatzungspolitik kritisiert werden darf. epd

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024

Geistesgeschichte

Entwurzelte Denker

Steven Aschheim zeigt, wie deutsch-jüdische Intellektuelle den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts begegneten

von Jakob Hessing  21.10.2024

Heideroman

Wie ein Märchen von Wölfen, Hexe und Großmutter

Markus Thielemann erzählt von den Sorgen und Ängsten eines jungen Schäfers in der norddeutschen Provinz

von Tobias Kühn  21.10.2024

Nachruf

Mentor und Mentsch

Hannah M. Lessing erinnert sich an den verstorbenen israelischen Holocaust-Forscher Yehuda Bauer

von Hannah M. Lessing  21.10.2024

Sam Sax

Apokalyptisch in New York

Der queere Coming-of-Age-Roman »Yr Dead« beschreibt eine Selbstverbrennung

von Katrin Diehl  20.10.2024

Tatort

Alte Kriegsverbrechen und neue Zivilcourage

Im neuen Murot-»Tatort« findet ein Kriminalfall im Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Und Hauptdarsteller Ulrich Tukur treibt doppeltes Spiel

von Andrea Löbbecke  20.10.2024

Buchmesse

Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Anne Applebaum

Als die Historikerin Anne Applebaum in Frankfurt mit dem Buchhandels-Friedenspreis geehrt wurde, richtete sie einen dramatischen Appell an die Welt

von Christiane Laudage, Christoph Arens, Volker Hasenauer  20.10.2024