In der Wissenschaft herrscht ein globaler Geist. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schlägt sich die Internationalität in einer zunehmenden Zahl von Not-Stipendien oder Emergency Fellowships nieder. Nicht nur in Europa, auch in Israel werden solche Programme aufgelegt.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) lädt die Universität in Haifa Forscher aus der Ukraine ein, sich für ein Stipendium am dortigen Zentrum für Deutsche und Europäische Studien zu bewerben. »Wir haben als Institut den Gürtel um einiges enger geschnallt, was Posten wie Druckkosten, Reisen, Werbung betrifft, und ich als Forscher habe auch eigene Forschungsmittel eingebracht«, sagt Stefan Ihrig, Leiter des Zentrums, im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.
FORSCHERINNEN Vor allem habe er sich aber auf den finanziellen Rückhalt durch den DAAD und die Leitung der Universität Haifa verlassen können. Das Stipendium ist mit 30.000 US-Dollar für ein Jahr zuzüglich Nebenkosten dotiert und richtet sich vor allem an Forscherinnen, die mit Kindern zur Flucht aus der Ukraine gezwungen sind. Die Dauer des Fellowship ist Ihrig wichtig – »sodass man sich nicht gleich wieder Gedanken machen muss, wie es in einigen Wochen weitergeht«.
Auf seiner Website stellt der DAAD die Adressen von Institutionen zusammen, die ukrainischen Forschern Hilfe anbieten.
Ende der vergangenen Woche kündigte auch die Universität Tel Aviv (TAU) an, ein Graduiertenstipendium für Studierende aus der Ukraine auszuschreiben, die ihre Arbeit durch den Krieg in der Heimat nicht fortsetzen können. Die TAU möchte gleich mehrere Dutzend Forscher aus dem heimgesuchten Land auf ihrem Campus beherbergen, der Aufenthalt ist auf ein Semester angelegt.
Auf seiner Website stellt der DAAD die Adressen von Institutionen zusammen, die ukrainischen Forschern Hilfe anbieten. So will es die »Deutsche-Ukrainische Wissenschaftsbrücke Hamburg« Wissenschaftlern ermöglichen, nach Deutschland zu kommen, wobei sie sich hier auch in der Lehre von osteuropäischen wie von deutschen Studierenden engagieren können.
NOTPROGRAMME Die Österreichische Akademie der Wissenschaften schreibt in einem »Ukraine Emergency Call« aktuell mehr als 25 Stipendien aus. Das Programm ist fürs Erste mit 270.000 Euro ausgestattet und soll einen viermonatigen Aufenthalt an österreichischen Universitäten ermöglichen. Eine Studiendauer von drei Monaten mit der Aussicht auf Verlängerung bietet die akademische Nothilfe der Akademie der Wissenschaften in Polen an. Sie trägt die Kosten für die Anreise und die Unterbringung ukrainischer Forscher und gibt monatlich 5000 Zloty (rund 1050 Euro) hinzu.
Stefan Ihrig erhofft sich, dass die Initiative der Universität Haifa »Teil unserer wissenschaftlichen Kultur« wird.
Die aktuellen Notprogramme im Blick auf die Ukraine haben Vorbilder: So ist etwa die »Academy in Exile« der Turkistik-Professorin Kader Konuk ein Leuchtturm der wissenschaftlichen Solidarität im Angesicht von politischer Verfolgung und Krieg. Die Akademie wurde als überregionale Kooperation von Hochschulen in Essen, Duisburg und Berlin unter dem Eindruck der Kriminalisierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Türkei gegründet, die daraufhin in großer Zahl ihr Land verließen.
Stefan Ihrig erhofft sich unterdessen, dass die Initiative der Universität Haifa »Teil unserer wissenschaftlichen Kultur und dann auch in zukünftigen Konflikten und Krisen in verschiedenen Formen wieder aktiviert wird«. »Gerade in unserer Region hier ist es wichtig und wird es wichtig bleiben, unseren Kollegen, die in Not geraten, Unterstützung und Sicherheit zu bieten, sodass es auch nach Konflikten weitergehen kann und weitergedacht werden kann«, sagt Ihrig.
Denkbar ist zum Beispiel, dass die israelische Akademie der Wissenschaften ein im Laufe der Corona-Pandemie aufgelegtes Programm weiterführt und umwidmet; auch dieses zielt darauf, unterbrochene Forschung in Israel wiederaufzunehmen.