Film

Agenten von der Stange

Gal Gadot (38) als Rachel Stone in »Heart of Stone« Foto: © 2023 Netflix, Inc.

Von Anfang an geht es ordentlich zur Sache. Eine alpine Landschaft, der Kampf in der Gondel einer Seilbahn sowie eine Verfolgungsjagd im Schnee – all das weckt sofort Assoziationen mit dem James-Bond-Klassiker Im Geheimdienst Ihrer Majestät. Die Zuschauer werden quasi hineinkatapultiert in die action-reiche Handlung von Heart of Stone, dem neuen Agententhriller, der unter der Regie von Tom Harper, verantwortlich für Serienhits wie Peaky Blinders oder Misfits, entstanden ist und mit großem Staraufgebot aufwartet.

So will die MI6-Agentin Rachel Stone, gespielt von »Wonder Woman« Gal Gadot, mit drei Kollegen in den Südtiroler Alpen einen Waffenhändler kidnappen, was jedoch gründlich danebengeht, weil nicht alle im Team das sind, was sie vorzugeben scheinen. Denn einige, darunter auch Rachel Stone, arbeiten nicht nur für den britischen Geheimdienst, sondern ebenfalls für eine weitere Organisation, und zwar »The Charter«, eine Art Meta-Geheimdienst, der keiner Nation oder politischen Richtung verpflichtet ist. Und deren Agenten tragen keine richtigen Namen, sondern werden wie Spielkarten bezeichnet – weshalb Gal Gadot auch unter der Bezeichnung »Herz Neun« läuft.

Die Israelin Gal Gadot überzeugt als
Action-Heldin.

»The Charter« selbst verkörpern die »Guten« in dem Film. Sie sind im Besitz einer Hightech-Wunderwaffe, die – man ist schließlich im Jahr 2023 – mit Künstlicher Intelligenz arbeitet, nämlich mit einem Quantencomputer, der auf den Namen »Herz« hört und so ziemlich alles kann, um dafür zu sorgen, dass die Welt nicht aus den Fugen gerät, also sich beispielsweise in jedes System hineinhacken. »Warum Atomwaffen stehlen, wenn man sie auch kontrollieren kann«, heißt es in einem der Dialoge, die der Story irgendwie Gewicht verleihen sollen.

SUPERSCHURKEN Genau daran hapert es aber. Selbstverständlich gibt es ein paar Superschurken, die »Herz« an den Kragen wollen, darunter die Hackerin Keya Dhawan, gespielt von dem Bollywood-Star Alia Bhatt, und Fifty Shades of Grey-Hauptdarsteller Jamie Dornan. Doch eigentlich hat man diese Version des Kampfes »Gut« gegen »Böse« schon einige Male gesehen – auch wenn manche Action-Szenen wie die wilde Verfolgungsjagd mit einem alten Transporter durch die engen Gassen von Lissabon, bei der unter anderem eine der berühmten historischen Straßenbahnen der Stadt geschrottet wird, durchaus Unterhaltungswert haben.

Mit von der Partie in dem Action-Streifen ist auch Matthias Schweighöfer, der so etwas wie der private IT-Support von Geheimagentin Rachel Stone sein soll. Ständig fuchtelt er vor einem gigantischen 3D-Mäusekino herum, das das »Herz« darstellt.

Matthias Schweighöfer wirkt wie ein gealterter Hightech-Nerd, der sein Ritalin vergessen hat.

Immer wieder gibt er der »Charta«-Agentin Handlungsanweisungen oder warnt sie, dass womöglich Gefahr droht. Das Ganze ist leider völlig sinnbefreit, was nicht zuletzt an den defizitären schauspielerischen Qualitäten Schweighöfers liegt, der eher wirkt wie ein gealterter Hightech-Nerd, der sein Ritalin vergessen hat.

Und so entsteht der Eindruck, dass die Macher von Heart of Stone das KI-Dialogsystem ChatGPT darum gebeten haben, bitte schön ein Drehbuch zu schreiben, ganz nach dem Motto: »Irgendwas wie Mission Impossible und James Bond mit viel Blingbling und einer Spur Exotik«. Entsprechend hüpfen die Darsteller, allen voran Rachel Stone und die Bösewichte, von London nach Lissabon oder in den Senegal, bis es schließlich in Island zum Showdown kommt, bei dem einige Geheimdienstbosse ums Leben kommen und die Universität von Reykjavik pulverisiert wird.

SCHABLONEN Doch leidet das Resultat an der Tatsache, dass weder die Protagonisten sich entwickeln können, weshalb sie völlig eindimensionale Schablonen bleiben, noch die Handlung ohne Brüche und Lücken auskommt. Bei Heart of Stone handelt es sich definitiv um B-Ware aus dem Agenten-Genre, allein die Präsenz von Gal Gadot oder Keya Dhawan kann das Ganze noch retten.

Zwar strahlt die Israelin nicht mehr das Charisma einer »Wonder Woman« aus, dafür überzeugen ihre Qualitäten als Action-Darstellerin und »weiblicher 007«. Nur sollte sie sich einen Gefallen tun, wenn es zu einer Fortsetzung von Heart of Stone kommt, wonach es wohl aussieht. Denn Plot und Dialoge bedürfen dringend einer Verbesserung – oder Updates, um im Jargon zu bleiben. Eine originäre Handlung muss her, gute Stunts und prominente Namen allein reichen nicht aus.

»Heart of Stone« ist seit dem 11. August auf Netflix zu sehen.

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