Es war eine Sensation, was Archäologen 2010 bei Grabungen vor dem Roten Rathaus in Berlin zutage förderten: 16 im Zweiten Weltkrieg verschüttete Skulpturen der klassischen Moderne wurden im Vorfeld von U-Bahn-Arbeiten gefunden. Mit dabei: ein schwarz glasierter Terracotta-Kopf von Otto Freundlich (1878–
1943). Zu sehen ist die beschädigte Skulptur seit Samstag vergangener Woche in der Ausstellung Kosmischer Kommunismus im Museum Ludwig in Köln.
Das Schicksal der kleinen Skulptur scheint symptomatisch für das Werk Otto Freundlichs, der als einer der Pioniere der abstrakten Kunst gilt. Von den Nationalsozialisten als »entartete Kunst« verfemt, ging ein guter Teil seiner Arbeiten verloren. Der jüdische Künstler wurde 1943 in einem Konzentrationslager ermordet. Sein Werk überlebte, wenn auch mit deutlichen Blessuren und als Schattenexistenz neben bekannteren Namen der klassischen Moderne.
Betrug »Ausgrabungsarbeiten« des Museums Ludwig haben Freundlichs farbig leuchtende Gemälde und seine aufstrebenden Skulpturen nun 40 Jahre nach der letzten Schau seiner Werke wieder ans Tageslicht gebracht. Und dabei konnte das Museumsteam tatsächlich manch neue Erkenntnis zutage fördern. So deckt die Schau, die bis zum 14. Mai zu sehen ist, einen handfesten Betrug auf. Und zwar gerade im Zusammenhang mit dem Werk, das Freundlich zu trauriger Bekanntheit verhalf.
Die Nazis hatten seine Skulptur »Großer Kopf« (1912) 1938 auf die Titelseite des Ausstellungsführers Entartete Kunst gesetzt. Die überraschende Erkenntnis: Offenbar wurde die Skulptur im Laufe der Wanderausstellung zerstört. Fotos beweisen, dass auf den letzten Stationen der Propaganda-Schau eine plumpe Replik gezeigt wurde, die noch stärker den Vorstellungen der Nazis von »entarteter Kunst« entsprach.
Ein Verdienst der Kölner Schau ist auch, dass sie das Mosaik »Geburt des Menschen« (1919), eines der wenigen erhaltenen Frühwerke Freundlichs, wieder ins Bewusstsein ruft. Es war an einem unscheinbaren Durchgang in der Kölner Oper angebracht und wurde daher wenig beachtet. Das Werk soll künftig einen wesentlich prominenteren Platz in der Oper bekommen – eine sichtbare Würdigung eines Künstlers, der viel zu lange vergessen war und dessen Werk den Vergleich mit anderen großen Malern nicht scheuen muss.
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