Nachruf

Abschied von einem genialen Musiker und Produzenten

Quincy Jones (1933 - 2024) Foto: picture alliance/AP Images

Wer während einer sieben Jahrzehnte andauernden Karriere 80-mal für Grammy-Awards nominiert wird, hat die Musikwelt zumindest zeitweise dominiert. Wer 28 dieser Ehrungen am Ende auch bekam, braucht ein großes Regal im Wohnzimmer. Nur zwei Musiker bekamen noch mehr Grammy-Preise als der Trompeter, Komponist, Arrangeur und Produzent Quincy Jones, nämlich die Sängerin Beyoncé und der britisch-ungarische Dirigent Sir George Solti.

Nicht immer bedeuten viele Grammy-Awards automatisch musikalische Qualität. Reiner Erfolg ist ebenfalls ein Faktor, der die Chancen auf diese Preise hebt. Im Fall Quincy Jones, der am Sonntag Ortszeit im Alter von 91 Jahren in Los Angeles starb, war und ist weiterhin beides zuhauf vorhanden.

Im Jahr 1955, als einige von uns noch mindestens eine Dekade auf ihre Geburt warten mussten, veröffentlichte ein junger Quincy Jones das Album »Jazz Abroad« mit Roy Haynes. Erstklassigen Straight Ahead Jazz verbreitete er damals. Neun Studioalben später folgte 1962 die Schallplatte Nummer 10, »Big Band Bossa Nova«, deren erstes Stück »Soul Bossa Nova« noch heute regelmäßig im Radio ertönt.

Quincy Jones im Jahr 1974 in seinem privaten StudioFoto: picture alliance / AP
Aus dem Ärmel

Wie es Quincy Jones schaffte, 1965 mit »Quincy Plays for Pussycats« ein weiteres Jazz-Album und gleichzeitig die Musik für drei Kinofilme zu komponieren und aufzunehmen, ist nicht überliefert. Tatsache ist: Er schaffte es. Schon die Musik zum Kino-Hit »The Pawnbroker« zeigte damals allen: Hier war ein Weltklasse-Künstler am Werk, der es verstand, Songs verschiedener Genres aus dem Ärmel zu schütteln, während er auch noch Schönheit in sie integrierte.

»Walking in Space«, eine weitere Platte, 1969 veröffentlicht, enthielt seine Interpretation dieses aus dem Musical »Hair« bekannten Titels, der bei ihm von einer jungen Valerie Simpson gesungen wurde, die wiederum später selbst eine große Komponistin wurde. Von dem Album »Smackwater Jack« mit seiner genialen Version von »What’s Going On« ganz zu schweigen.

Wer auf den Vorspul-Knopf drückt und seinen Finger länger darauf verweilen lässt, wird zahlreiche Schallplatten später bei »Sounds ... and Stuff Like That!!« vorbeikommen. Quincys hier enthaltene Interpretation des Songs »Love Me by Name«, gesungen von Patti Austin, ist eine der schönsten Soul-Balladen aller Zeiten. Herbie Hancocks »Tell Me a Bedtime Story« ist ebenfalls noch beeindruckender als das Original, denn Quincy Jones arbeitete daran.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Sein Album »Sounds ...« enthielt den Song »Love Me by Name«.
Brillanter Funk

Die Diskografie setzte sich fast endlos fort. Selbiges gilt für die Filmmusik-Projekte, die der Meister bearbeitete. Hinzu kam seine Arbeit als Produzent. Mit Frank Sinatra, einem der größten Sänger, die damals auf den Bühnen der Welt standen, kooperierte Quincy Jones von 1958 an über viele Jahre hinweg. Der Abschluss ihrer Zusammenarbeit war das sensationelle Album »L.A. is my Lady« im Jahr 1984.

Michael Jackson wäre nicht gewesen, wer er war, wenn Jones nicht Produzent für dessen Alben »Off the Wall«, »Thriller« und »Bad« geworden wäre. Es wurden die größten Erfolge aller Zeiten. Aber auch die Kombo The Brothers Johnson der Brüder Louis und George Johnson, die brillanten Funk lieferten, und viele andere Projekte mit umso mehr Künstlern gehören zum Vermächtnis des großen Produzenten. Hat jemand »We Are the World« vergessen? Nein.

Als Aktivist unterstützte Quincy Jones die von Martin Luther King initiierte Bürgerrechtsbewegung. Auch gründete und unterstützte er das Black Arts Festival und ähnliche Veranstaltungen, die junge Talente unterstützten.

Quincy Jones hinterließ eine Menge Musik.Foto: picture alliance / Everett Collection
Jüdische Verbindung

Wie seine Musik-Karriere stellte auch sein Privatleben öfter eine Herausforderung dar. Quincy Jones überlebte 1974 eine Arterienerweiterung. Den Rat seiner Ärzte, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden zu verbringen, befolgte er. Zwei Gehirnoperationen musste er ertragen.

Dreimal war Quincy Jones verheiratet und hatte sieben Kinder mit fünf Frauen. Nastassja Kinski war eine seiner Partnerinnen. Von 1974 bis 1990 war die jüdische Schauspielerin und Sängerin Peggy Lipton, die auch als Model tätig war, seine Ehefrau. Zwei Kinder, nämlich Kidada und Rashida Jones, gingen aus dieser Verbindung hervor. Rashida ist eine erfolgreiche Schauspielerin und Filmemacherin, ihre Schwester Kidada schlug ebenfalls eine Schauspiel-Karriere ein, ist aber auch als Designerin bekannt.

Quincy Jones bleibt unvergessen – in den Erinnerungen seiner Liebsten und Freunde, aber auch durch sein großartiges musikalisches Werk.

Nachruf

»Also sprach Zarabauer«

Yehuda Bauer war nicht nur Historiker, sondern auch ein begnadeter Redner mit viel Humor

von Laurence Weinbaum  04.11.2024

Dokumentation

»Ein Bürger, ein Demokrat, ein Humanist, der für uns aufbegehrt«

Michel Friedman ist in Frankfurt mit der Goethe-Plakette ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Carolin Emcke

von Carolin Emcke  04.11.2024

Hito Steyerl

Künstlerin mit Kompass

In ihrer Ausstellung »Normalität« in Heidelberg setzt sich die Filmemacherin mit rechtsextremer und antisemitischer Gewalt auseinander

von Eugen El  04.11.2024

Literatur

Volker Kutscher veröffentlicht seinen letzten Rath-Roman

Dieser Band endet mit den November-Pogromen im Jahr 1938

von Christiane Laudage  04.11.2024

Geburtstag

Wolf Biermann will sich nach seinem Tod nicht langweilen

Im Gespräch denkt der jüdische Ex-Kommunist über den Tod nach, die Liebe und den Krieg

von Bernhard Sprengel  04.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.11.2024

Aufgegabelt

Tahini-Riegel

Rezepte und Leckeres

 03.11.2024

Gespräch

»Leider gibt es keine magischen Lösungen«

W. Michael Blumenthal über Flüchtlinge, Populisten und einen möglichen Wahlsieg von Donald Trump

von Axel Brüggemann  03.11.2024

Kunst

»Das Alef sitzt dort allein«

Fishel Rabinowicz ist im Alter von 100 Jahren gestorben. Lesen Sie hier unser letztes Interview mit dem Schweizer Schoa-Überlebenden

von Peter Bollag  01.11.2024 Aktualisiert