Wer während einer sieben Jahrzehnte andauernden Karriere 80-mal für Grammy-Awards nominiert wird, hat die Musikwelt zumindest zeitweise dominiert. Wer 28 dieser Ehrungen am Ende auch bekam, braucht ein großes Regal im Wohnzimmer. Nur zwei Musiker bekamen noch mehr Grammy-Preise als der Trompeter, Komponist, Arrangeur und Produzent Quincy Jones, nämlich die Sängerin Beyoncé und der britisch-ungarische Dirigent Sir George Solti.
Nicht immer bedeuten viele Grammy-Awards automatisch musikalische Qualität. Reiner Erfolg ist ebenfalls ein Faktor, der die Chancen auf diese Preise hebt. Im Fall Quincy Jones, der am Sonntag Ortszeit im Alter von 91 Jahren in Los Angeles starb, war und ist weiterhin beides zuhauf vorhanden.
Im Jahr 1955, als einige von uns noch mindestens eine Dekade auf ihre Geburt warten mussten, veröffentlichte ein junger Quincy Jones das Album »Jazz Abroad« mit Roy Haynes. Erstklassigen Straight Ahead Jazz verbreitete er damals. Neun Studioalben später folgte 1962 die Schallplatte Nummer 10, »Big Band Bossa Nova«, deren erstes Stück »Soul Bossa Nova« noch heute regelmäßig im Radio ertönt.
Aus dem Ärmel
Wie es Quincy Jones schaffte, 1965 mit »Quincy Plays for Pussycats« ein weiteres Jazz-Album und gleichzeitig die Musik für drei Kinofilme zu komponieren und aufzunehmen, ist nicht überliefert. Tatsache ist: Er schaffte es. Schon die Musik zum Kino-Hit »The Pawnbroker« zeigte damals allen: Hier war ein Weltklasse-Künstler am Werk, der es verstand, Songs verschiedener Genres aus dem Ärmel zu schütteln, während er auch noch Schönheit in sie integrierte.
»Walking in Space«, eine weitere Platte, 1969 veröffentlicht, enthielt seine Interpretation dieses aus dem Musical »Hair« bekannten Titels, der bei ihm von einer jungen Valerie Simpson gesungen wurde, die wiederum später selbst eine große Komponistin wurde. Von dem Album »Smackwater Jack« mit seiner genialen Version von »What’s Going On« ganz zu schweigen.
Wer auf den Vorspul-Knopf drückt und seinen Finger länger darauf verweilen lässt, wird zahlreiche Schallplatten später bei »Sounds ... and Stuff Like That!!« vorbeikommen. Quincys hier enthaltene Interpretation des Songs »Love Me by Name«, gesungen von Patti Austin, ist eine der schönsten Soul-Balladen aller Zeiten. Herbie Hancocks »Tell Me a Bedtime Story« ist ebenfalls noch beeindruckender als das Original, denn Quincy Jones arbeitete daran.
Brillanter Funk
Die Diskografie setzte sich fast endlos fort. Selbiges gilt für die Filmmusik-Projekte, die der Meister bearbeitete. Hinzu kam seine Arbeit als Produzent. Mit Frank Sinatra, einem der größten Sänger, die damals auf den Bühnen der Welt standen, kooperierte Quincy Jones von 1958 an über viele Jahre hinweg. Der Abschluss ihrer Zusammenarbeit war das sensationelle Album »L.A. is my Lady« im Jahr 1984.
Michael Jackson wäre nicht gewesen, wer er war, wenn Jones nicht Produzent für dessen Alben »Off the Wall«, »Thriller« und »Bad« geworden wäre. Es wurden die größten Erfolge aller Zeiten. Aber auch die Kombo The Brothers Johnson der Brüder Louis und George Johnson, die brillanten Funk lieferten, und viele andere Projekte mit umso mehr Künstlern gehören zum Vermächtnis des großen Produzenten. Hat jemand »We Are the World« vergessen? Nein.
Als Aktivist unterstützte Quincy Jones die von Martin Luther King initiierte Bürgerrechtsbewegung. Auch gründete und unterstützte er das Black Arts Festival und ähnliche Veranstaltungen, die junge Talente unterstützten.
Jüdische Verbindung
Wie seine Musik-Karriere stellte auch sein Privatleben öfter eine Herausforderung dar. Quincy Jones überlebte 1974 eine Arterienerweiterung. Den Rat seiner Ärzte, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden zu verbringen, befolgte er. Zwei Gehirnoperationen musste er ertragen.
Dreimal war Quincy Jones verheiratet und hatte sieben Kinder mit fünf Frauen. Nastassja Kinski war eine seiner Partnerinnen. Von 1974 bis 1990 war die jüdische Schauspielerin und Sängerin Peggy Lipton, die auch als Model tätig war, seine Ehefrau. Zwei Kinder, nämlich Kidada und Rashida Jones, gingen aus dieser Verbindung hervor. Rashida ist eine erfolgreiche Schauspielerin und Filmemacherin, ihre Schwester Kidada schlug ebenfalls eine Schauspiel-Karriere ein, ist aber auch als Designerin bekannt.
Quincy Jones bleibt unvergessen – in den Erinnerungen seiner Liebsten und Freunde, aber auch durch sein großartiges musikalisches Werk.