Sie verbergen sich hinter der Abkürzung »UAV« und werden zunehmend wichtiger: Unbemannte Luftfahrzeuge, besser bekannt als Drohnen, »werden immer mehr Teil unseres Lebens«, sagt Seth J. Frantzman, Nahost-Korrespondent der »Jerusalem Post«. »Es ist ein Multimilliarden-Dollar-Markt, der stetig wächst. Aber man muss zwischen dem Militärischen und dem Zivilen unterscheiden«, betont Frantzman.
In seinem unlängst erschienenen Buch Drone Wars schreibt er, dass UAVs die Schlachtfelder der Zukunft entscheidend beeinflussen werden. Zwar sind sie genau wie Panzer oder Flugzeuge Teil der Kriegsführung, doch nutzen Drohnen Computertechnologie und Künstliche Intelligenz (KI) noch intensiver. Sie sind insofern eine Art Plattform, die zum Sammeln von Informationen verwendet werden kann, aber auch, um verschiedene Ziele auszulöschen.
Die Aufklärungsdrohne »Heron 1« gehört bereits zur Ausrüstung der Bundeswehr.
»Israel war das erste Land, das moderne Drohnen baute und im Gegensatz zu den USA weltweit verkaufte«, erläutert Frantzman. So vertraut auch die Bundeswehr auf israelisches militärisches Know-how. Die unbewaffnete Aufklärungsdrohne »Heron 1« gehört bereits zu ihrer Ausrüstung. »Auch die Anschaffung der bewaffneten Heron-Drohne aus Israel treiben wir voran«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 27. Februar, wenige Tage nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Auf Betreiben der SPD hatte die Vorgängerregierung die Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen noch vertagt.
MARKT »Heute ist China in diesem Bereich weltweit führend. Aber auch die Türkei und die USA mischen kräftig mit«, berichtet unterdessen Seth J. Frantzman über den UAV-Markt. Dieser kam bereits 2019 auf einen Umsatz von etwa 2,3 Milliarden US-Dollar. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte (IDF) sollen Drohnen bereits 80 Prozent der Flugstunden bei den Luftstreitkräften ausmachen. Der jüdische Staat nutzt sie vor allem, um seine Grenzen zu sichern.
Doch die neuen unbemannten Luftfahrzeuge, die der Iran in der asymmetrischen Kriegsführung einsetzt, machen selbst einen hoch technisierten Staat mit so starker Luftverteidigung wie Israel anfällig. Sogenannte weiche Ziele wie Schiffe, Ölanlagen oder andere zivile Einrichtungen sind durch UAVs einer akuten Gefahr ausgesetzt, und so hat sich der seit über einem Jahrzehnt im Nahen Osten nicht erklärte Schattenkrieg beider Erzfeinde in jüngerer Zeit auch verstärkt auf die Hohe See verlagert.
Mittlerweile hat Teheran seine Technologie auch an seine Stellvertreter exportiert. »Für sämtliche Terrororganisationen und Milizen sind Drohnen eine Revolution, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, eine Art von Luftwaffe zu besitzen, die sie vor allzu langer Zeit nicht hatten«, berichtet Nahost-Experte Frantzman. »Der Iran hat in den vergangenen drei Jahrzehnten enorm in diese Entwicklung investiert und sein Sortiment ständig erweitert.«
MÖGLICHKEITEN Während des elftägigen Gaza-Krieges zwischen Israel und militanten Palästinensergruppen im vergangenen Mai konnte die Welt einen Vorgeschmack auf die neuen Möglichkeiten dieser Technologie erleben.
Israel hat als erstes Land der Welt eine Drohne für den zivilen Luftraum zertifiziert.
»Diese Operation konnte man als den ersten KI-Krieg der Geschichte bezeichnen«, sagt Brigadegeneral Amir Lazar von den israelischen Luftstreitkräften (IAF). Zusammen mit einer Infanterie-Einheit, die mit dem Entwickeln und Erproben neuer Militärtaktiken beauftragt war, wurden Dutzende kleiner Schwärme von Quadrocopterdrohnen über dem Küstenstreifen eingesetzt.
»Jedes Gerät überwachte eine bestimmte Region«, erklärt der Luftdivisionsleiter. »Lokalisierten sie Raketen- oder Mörserabschussrampen der Hamas oder des palästinensischen Islamischen Dschihad, die auf zivile Gebiete gerichtet waren, wurden sie von unseren Kampfjets oder Artillerie zerstört.«
Laut IAF operierten während des Konflikts solche Schwärme zusammengerechnet mehr als 6000 Flugstunden über Gaza. Inzwischen nahmen in Israel bei einer internationalen Militärübung für Drohnenüberwachung und -angriffe zahlreiche befreundete Luftstreitkräfte teil. »Ziel der Übung war es, die IDF als führend im Bereich der UAV zu positionieren«, sagt Lazar.
LIZENZ Mittlerweile hat Israel als weltweit erstes Land der Welt offiziell die Zertifizierung eines UAVs im zivilen Luftraum genehmigt. Es erteilte die Lizenz mit der NATO-Standardisierung für das Modell »Hermes Starliner« von Elbit Systems. Die Aufklärungsdrohne wurde modifiziert, um die Anforderungen der Zivilluftfahrt zu erfüllen. Zu diesen Technologien gehören unter anderem ein Warnsystem zur Geländevermeidung, Schlechtwetterfunktionen sowie Sensor- und Satellitendatenverbindungen.
Seth J. Frantzman warnt, dass man allein mit Drohnen keine Kriege gewinnen kann.
»Es ist ein internationaler Durchbruch«, sagt Yoram Shmuely, Geschäftsführer von Elbit Systems. »Endlich können UAVs auch in der Landwirtschaft oder bei Verbrechensbekämpfung operieren.« Die Drohne hat eine Spannweite von 17 Metern, trägt 450 Kilogramm Radar- sowie andere Nutzlasten und kann bis zu 36 Stunden ununterbrochen in einer Höhe von bis zu 7,5 Kilometer fliegen.
Während die Schweiz zu den ersten Kunden gehört, ist der erfolgreiche UAV- Entwickler überzeugt, das Interesse weiterer Staaten geweckt zu haben: »Es wird Regierungen sowie internationalen und kommerziellen Organisationen ermöglichen, die einzigartigen Fähigkeiten dieser Entwicklung in ihrem Streben nach deutlich verbesserter Sicherheit und Umweltschutz zu nutzen.«
GESETZE Die nächste Generation der unbemannten Luftfahrzeuge steht bereits in den Startlöchern. Sie ist besser vernetzt durch Dutzende von Drohnenschwärmen, die KI einsetzen. »Hoch entwickelte Industrienationen werden weiter in die Drohnentechnologie investieren«, sagt Seth J. Frantzman. »Zum Beispiel für Paketlieferungen und andere Dienstleistungen. Dafür müssten aber auch neue Gesetze erlassen werden, wie die Flughöhe, also eine Art UAV-Autobahn.«
In militärischen Belangen hält Nahostexperte Frantzman derweil eine Veränderung des Mächtegleichgewichts für wahrscheinlich. Zugleich warnt er, dass man allein mit Drohnen keine Kriege gewinnen kann. Als positive Entwicklung benennt er den Einsatz Künstlicher Intelligenz und der sogenannten automatischen Zielerkennung, etwa bei Such- und Rettungseinsätzen in gefährlichen Regionen.
»Das Flugwesen über unseren Städten wird weiter zunehmen«, glaubt Frantzman. »Heutzutage gibt es schon UAVs von der Größe einer Kaffeetasse bis zu der eines Wals.« Ob unbemannte Luftfahrzeuge aber auch den zivilen Personenverkehr revolutionieren werden, muss sich indes noch zeigen.