Seit mehr als einem Jahrhundert streiten sich Hobby-Kriminologen über die Frage, wer Jack the Ripper nun wirklich war – jene unheimliche Gestalt, die im Jahr 1888 im ärmlichen Londoner Stadtteil Whitechapel mehrere Prostituierte brutal ermordete und deren Leichen oft grausig verstümmelte. Immer mal wieder will jemand das Rätsel endgültig gelöst haben – bis ihm einige Jahre später ein anderer mit einer neuen Theorie den Rang streitig macht.
Der Autor Russell Edwards nimmt nun für sich in Anspruch, den Schuldigen mithilfe avanciertester wissenschaftlicher Methoden eindeutig ausgemacht zu haben. Es sei »definitiv, kategorisch und absolut« Aaron Kosminski gewesen, erzählte Edwards dem britischen Boulevardblatt Daily Mail.
paranoid Kosminski, ein polnischer Jude, war in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts nach England emigriert und arbeitete in Whitechapel als Friseur. Zwar war er schon bei den Ermittlungen zu den »Whitechapel-Morden« einer der Tatverdächtigen, die Morde konnten ihm aber nie eindeutig nachgeweisen werden. Das Gerücht, Jack the Ripper sei Jude, hatte seinerzeit zu antisemitischen Protesten in London geführt. Kosminski, der an paranoider Schizophrenie gelitten haben soll, starb 1919 im Alter von 53 Jahren in einer Nervenheilanstalt.
Russell Edwards, der demnächst ein Buch über Jack the Ripper veröffentlichen will, hat im Jahr 2007 bei einer Auktion einen Schal ersteigert, der Catherine Eddowes gehört haben soll, einem der Opfer des Rippers. Daran fanden sich noch winzige Blut- und Spermaspuren. Edwards bat daraufhin den finnischen Molekularbiologen Jari Louhelainen, der in Helsinki und Liverpool lehrt, eine DNA-Analyse durchzuführen. Tatsächlich konnte Louhelainen mitochondriale DNA aus dem uralten Stück Stoff extrahieren. Ein Abgleich mit der DNA von Karen Miller, einer Nachfahrin von Eddowes, ergab eine 100-prozentige Übereinstimmung – der Schal hatte also wohl tatsächlich dem Mordopfer gehört.
anonym Auch eine anonym bleibende Nachfahrin des vermeintlichen Mörders stellte sich für eine DNA-Probe zur Verfügung. Auch hier gab es eine 100-prozentige Übereinstimmung, das heißt für Edwards und Louhelainen: Das Sperma auf dem Schal stammte von Aaron Kosminski. Case closed?
Der Genetiker Alec Jeffreys, der vor 30 Jahren das Verfahren des »genetischen Fingerabdrucks« entwickelt hat, äußerte sich zurückhaltend zu den Erkenntnissen seines finnischen Kollegen. Zwar findet er dessen Funde »interessant«; auch hält er die Theorie, Kosminski sei der Prostituiertenmörder von Whitechapel gewesen, für »durchaus wahrscheinlich«. Jedoch, fügte er mit britischem Understatement hinzu, müssten die Herkunft des Schals und die Qualität der DNA-Analyse erst noch »von unabhängigen Experten überprüft werden«.