Zum 100. Jahrestag des Hitlerputsches erinnert der Bayerische Rundfunk (BR) an eine der ersten investigativen Journalistinnen: Im Herbst 1923 schlich sich die 24-jährige Paula Schlier als Schreibkraft Undercover in die Redaktion des NSDAP-Parteiorgans »Völkischer Beobachter« ein und erlebte dort aus der Nähe den Umsturzversuch.
Ihre Erlebnisse hielt sie in einem später veröffentlichten Tagebuch fest. Laut BR gilt sie als eine der wichtigsten weiblichen Stimmen gegen den Nationalsozialismus. Trotzdem sei ihr Werk weitgehend in Vergessenheit geraten.
Eine neue Dokumentation »Hitlerputsch 1923. Das Tagebuch der Paula Schlier« ist ab dem 8. November in der ARD Mediathek verfügbar und wird am 15. November um 22 Uhr im BR Fernsehen ausgestrahlt. Bereits am 6. November wird in der ARD Mediathek der dreiteilige Podcast »Paula sucht Paula - Vergessene Heldin im Hitlerputsch?« veröffentlicht. Darin macht sich BR-Autorin Paula Lochte auf die Suche nach der Frau, mit der sie zufällig Vornamen und Beruf teilt.
Neue Sachlichkeit Schlier (1899-1977) zählt zu den ersten Schriftstellerinnen der Neuen Sachlichkeit. In ihrem Werk prangert sie sexuelle Übergriffe auf Frauen und Kinder an. 1932 konvertiert sie zum Katholizismus. Zehn Jahre später zeigt ihr Beichtvater sie wegen einer kritischen Äußerung bei der Gestapo an. Nur ein psychiatrisches Gutachten, das ihr »religiösen Wahn« attestiert, bewahrt sie vor dem Konzentrationslager.
Nach mehreren Wochen Einzelhaft kommt sie in die Nervenheilanstalt Eglfing-Haar, wo sie Zeugin der nationalsozialistischen Krankenmorde wird. Schlier schreibt darüber in ihrer Autobiografie, die aber nicht veröffentlicht wird.
Nach dem Krieg beginnt Paula Schlier, Schwester des Marburger Theologen Heinrich Schlier, wieder zu schreiben. Außer Lyrik verfasst sie auch einen Roman mit dem Titel »Der Engel der Wüste« sowie religiöse Werke wie »Die letzte Weltennacht. Schauungen zur Apokalypse«. kna