Es leben nur noch wenige von ihnen, hochbetagt in ihren Neunzigern. Sie waren Jugendliche, als sie ab 1941 in den Krieg gegen Hitlerdeutschland zogen, in einen anfangs fast aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die damals stärkste und bestgerüstete Armee der Welt.
Sie werden damals Angst gehabt haben. Angst vor der übermächtigen Wehrmacht, Angst auch vor den rückwärtigen Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes, die echte oder vermeintliche »Feiglinge« rücksichtslos hinrichteten. Wobei für jüdische Sowjetsoldaten und -soldatinnen – es waren auch Frauen, und nicht wenige, unter ihnen – Aufgeben nie eine Option war.
Rotarmisten Ihnen war klar, dass, wenn sie gefangen genommen würden, sie keine Überlebenschance hätten. Sie wussten, was ihren Angehörigen in den von den Deutschen eroberten Gebieten widerfahren war. Als Rotarmisten und als Juden waren sie für die Nazis der doppelte Feind. Deshalb kämpften sie besonders erbittert. Sie hielten übermenschliche Strapazen aus, wurden verwundet, sahen ihre Freunde und Kameraden sterben.
Am Ende waren sie die Sieger. Das Mutterland dankte ihnen ihren Einsatz schlecht. Als Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges waren sie Helden. Als Juden aber wurden sie in der Sowjetunion, die sie verteidigt und gerettet hatten, diskriminiert.
Nur wenige Jahre nach dem Sieg über den Nationalsozialismus erlebte die UdSSR eine antisemitische Welle übelsten Ausmaßes. Auch nachdem die mit Stalins Tod 1953 endete, blieb, wer in seinem Ausweis in der Rubrik »Nationalität« den Eintrag »Ewrei« für »Jude« stehen hatte, ein Bürger zweiter Klasse, alltäglichen Anfeindungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Dagegen halfen auch keine Orden und Medaillen aus dem Krieg.
Bereicherung Als 1989 die Sowjetunion unterging, kamen etliche von ihnen mit ihren Familien nach Deutschland, ins ehemalige Feindesland. Da waren sie schon über 60 Jahre alt. Sie haben sich hier eingelebt, materiell mehr schlecht als recht. Viele leben von Mindestrenten auf Hartz-IV-Niveau. Aber sie haben das Judentum in Deutschland bereichert.
Die jüdische Community in Deutschland war lange Zeit eine Opfergemeinschaft von Überlebenden des Holocaust und ihren Kindern. Die Veteranen des Zweiten Weltkriegs haben uns die Erfahrung von Kämpfern und Siegern mitgebracht. Dank ihnen ist unsere eigene Erinnerungskultur heute nicht mehr nur eine der Verfolgung, sondern auch eine des – erfolgreichen – Widerstands.
Eine Bekannte erzählte mir einmal, dass, als sie mit Freunden aus der ehemaligen Sowjetunion am Berliner Reichstag Schlange stand, um die Kuppel zu besichtigen, nach einer Stunde Warten eine von ihnen sagte: »Mein Opa hat 1945 nicht so lange gebraucht, um hier hineinzukommen.«
Deshalb wird am 9. Mai in vielen deutschen jüdischen Gemeinden der Tag des Sieges über den Faschismus gefeiert. Pozdrawlenije Veteranov! Glückwunsch den Veteranen der Sowjetarmee! Und vor allem: Spasibo – Danke!