In der Basler Ahornstraße herrscht an diesem warmen Spätsommerabend ein wenig Schulatmosphäre: Der Lehrer, Rabbiner Zalman Wischetzky, verfolgt von vorn aufmerksam, was seine Schüler tun. Sie sind an Pulten platziert, natürlich mit Corona-Abstand.
Es ist eine Gruppe von zwölf männlichen Teilnehmern im Alter zwischen neun und 75 Jahren. Sie alle haben einen Schofar an den Lippen und bemühen sich, ihm Töne zu entlocken – mit einigem Erfolg.
Der neunjährige Liam als Jüngster erntet für seine Töne großen Applaus aus der Runde und auch vom Lehrer. Rabbiner Wischetzy sagt: »Schofarblasen ist ein wenig, wie wenn man eine Zitrone auspressen möchte. Man muss behutsam und langsam vorgehen.«
Kosten Die Teilnehmer haben für den Kurs 100 Franken bezahlt und dafür auch einen eigenen Schofar bekommen. Das »Schofar-Seminar«, wie Rabbiner Wischetzky die Veranstaltung betitelt hat, ist in Basel auf ziemlich großes Interesse gestoßen. »Ich finde es wichtig, gerade in diesem Corona-Jahr die Mizwa des Schofarblasens einem breiteren Publikum näherzubringen«, sagt er. Darum sei ihm die Idee gekommen, ein solches Seminar anzubieten.
Zwar können in der Schweiz die Rosch-Haschana-Gottesdienste unter Auflagen stattfinden, doch weil gerade viele ältere Menschen nicht in die Synagoge kommen wollen oder können, ist die Nachfrage nach Freiwilligen, die die Mizwa privat durchführen, sehr groß.
»Ich weiß, dass ich so einigen Menschen den Feiertag verschönern könnte«, sagt ein jüngerer Seminarteilnehmer. Zwar sei die Zeit bis zum Neujahrsfest sehr kurz, aber er gebe die Hoffnung nicht auf, dass er das Blasen noch lernt.
Halacha Für Rabbiner Wischetzky ist wichtig, dass die Anwesenden nicht nur lernen, die richtigen Töne zu blasen, sondern sich auch mit den strengen halachischen Vorschriften des Schofarblasens auseinandersetzen. Darum hat er ein dreiseitiges Merkblatt mit den wichtigsten Regeln zusammengestellt, das die Teilnehmer zwischendurch immer wieder konsultieren: Wie viele Töne bläst man genau? Zwischen welchen Tönen darf man, ja, muss man sogar atmen? Wie hält man den Schofar richtig?
Was passiert, wenn jemand dem Instrument trotz der größten Bemühungen keinen Ton entlocken kann? Wann ist ein Schofar koscher, wann »passul«, ungeeignet?
Der aus Israel stammende Rabbiner, der seit rund 15 Jahren das Basler Chabad-Zentrum leitet, gibt Antwort auf alle diese und viele weitere Fragen und erklärt im zweiteiligen Kurs auch aus aktuellem Anlass, warum man am Schabbat keinen Schofar bläst.
mizwa Auch die Frage eines Teilnehmers, wieso eigentlich eine zweite Person alle Töne laut vorsagen muss, beantwortet Wischetzky: »Der Baal Tokea, der Schofarbläser, muss sich absolut auf die Mizwa konzentrieren und kann diese Aufgabe nicht auch noch übernehmen.«
Trotz aller Ernsthaftigkeit wird bei dem Seminar aber immer wieder auch gelacht. »Es kommt kein Ton heraus, nur ein wenig Corona«, kommentiert Rabbiner Wischetzky beispielsweise den erfolglosen Versuch eines Teilnehmers. Und ein anderer Teilnehmer erzählt: »Ich arbeite zurzeit im Homeoffice, heute gab es vor dem Haus den ganzen Tag laute Bauarbeiten mit dem Presslufthammer. Als die Arbeiter Pause machten, habe ich mich dann revanchiert – und Schofarblasen geübt.«
Beim Verabschieden gibt Rabbiner Wischetzky denjenigen, die daran zweifeln, dass sie es in den wenigen Tagen noch schaffen, dem Schofar die richtigen Töne zu entlocken, als Trost mit auf den Weg: »Am Ende von Jom Kippur bläst man ja ebenfalls noch einen Schofarton. Vielleicht schaffen Sie das – bis dahin sind ja noch einige Tage mehr Zeit.«
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