Ukraine

Zwietracht auf der Krim

Teilnehmer einer Pro-russischen Demo in Simferopol Foto: Reuters

Leah Feinberg hat am Sonntag für den Anschluss der Krim an Russland gestimmt. »Ich fühle mich als Russin, und ich möchte in Russland leben«, sagt die 43-jährige Buchhalterin. Dass der russische Staatschef Nikita Chruschtschow die Halbinsel 1954 an die Ukrainische Sowjetrepublik abtrat, lässt Feinberg nicht gelten – denn »damals existierte noch die Sowjetunion«.

Die bewaffneten Männer, die seit Anfang des Monats in den Straßen von Simferopol patrouillieren, stören Leah Feinberg nicht. »Ich hoffe, dass uns Russland vor Antisemiten schützt«, sagt sie. In Kiew seien jetzt die gleichen Nationalisten an der Macht, die im Zweiten Weltkrieg mit den Deutschen kollaborierten. Sie meint damit den Rechten Sektor, einen Verband radikaler Splittergruppen, der beim Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch mitmischte. Zwar ist der Sektor nicht an der neuen Regierung beteiligt, doch sitzen Mitglieder der nationalistischen Swoboda-Partei auf einigen Ministersesseln.

übergriffe Der ukrainische Oberrabbiner Yaakov Bleich bestätigt, dass es in den letzten Monaten Übergriffe auf jüdische Gemeinden gegeben hat: In Kiew seien zwei Juden attackiert worden, und in Saporoschje hätten Rechtsradikale versucht, eine Synagoge anzuzünden. Eine Zunahme antisemitischer Überfälle während der Maidan-Revolution habe Bleich jedoch nicht festgestellt. Russische Zeitungen und Fernsehsender würden übertrieben von einer Antisemitismuswelle sprechen und »Juden für Propagandazwecke instrumentalisieren«, sagt Bleich.

Zwischen die Fronten des Meinungskrieges ist Rabbiner Michail Kapustin geraten. Am 28. Februar wurde seine Reformsynagoge »Ner Tamid« in Simferopol mit Hakenkreuzen beschmiert. Der 34-Jährige glaubt, dass Provokateure dahinter stecken. Denn der Anschlag ereignete sich, kurz nachdem bewaffnete Milizen in Simferopol auftauchten. »Sie wollten die Tat Rechtsradikalen aus Kiew unterschieben«, vermutet Kapustin. Zuvor habe es auf der Krim, wo rund 17.000 Juden leben, keine antisemitischen Vorfälle gegeben, sagt der Rabbiner. Er kritisierte in den vergangenen Wochen mehrmals den russischen Einmarsch auf der Krim und wurde dafür oft beschimpft.

angst
Weil er »kein Ausländer im eigenen Land sein möchte«, stieg er am Sonntag mit seiner Familie in den Zug und verließ die Krim. Vorübergehend ist er bei Freunden in Kiew untergekommen. Wie er dieser Zeitung am Dienstag sagte, habe er Angst und wolle keine Interviews mehr geben. Er werde wegen seiner Aussagen sowohl von der moskautreuen Krim-Regierung als auch von jüdischen Gemeinden angefeindet, berichtet er. »Alles, was ich sage, wird gegen mich verwendet.« Seit er die Krim verlassen hat, gibt es dort keinen Rabbiner mehr. »In Zukunft werden sich wohl meine russischen Kollegen um die Juden in Simferopol kümmern.«

Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Wie die jüdische Gemeinschaft in Los Angeles mit den verheerenden Bränden umgeht – ein Zeugenbericht

von Jessica Donath  13.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Frankreich

Zuflucht vor Mobbing

Weil die Zahl antisemitischer Vorfälle dramatisch steigt, nehmen immer mehr jüdische Eltern ihre Kinder von öffentlichen Schulen und schicken sie auf private. Eine Erkundung in Paris

von Florian Kappelsberger  12.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

Kalifornien

Synagoge fällt Feuern von Los Angeles zum Opfer

Die riesigen Brände gefährden auch jüdische Einrichtungen

 08.01.2025

USA

Welcome to Jiddishland

Nirgendwo sprechen so viele Menschen Jiddisch wie in New York. Und es werden immer mehr. Die Mameloschen hat die Grenzen der chassidischen Communitys längst überschritten

von Jörn Pissowotzki  08.01.2025

Social Media

Elon Musk hetzt wieder gegen George Soros

Der Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump bedient sich dabei erneut der Figur des Magneto aus dem Marvel-Universum

von Ralf Balke  08.01.2025

Interview

»Die FPÖ gilt als Prototyp des Rechtspopulismus«

Demokratieforscher Simon Franzmann über den Rechtsruck in Österreich

von Michael Grau und Daniel Behrendt  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025