»Heil Trump, Sieg heil«, brüllt einer mit Bürstenschnitt, und im Publikum strecken einige den rechten Arm aus. Zu sehen ist die »White Lives Matter«-Bewegung, und es geht um Drohanrufe, in denen einer mit ruhiger Stimme sagt: »Du hättest im Holocaust sterben sollen«, ein Verfahren und das Aufbegehren gegen den Hass. Heldin der Dokumentation Troll Storm ist eine amerikanische Soccer-Mom wie aus dem Bilderbuch. Und weil Tanya Gersh außerdem Jüdin ist, wurde sie zur Zielscheibe einer unfassbaren Hass-Kampagne. Aber Gersh wehrt sich.
Troll Storm sei einer der zentralen Filme von »Shalom Oida«, sagt Frédéric-Gérard Kaczek, Organisator des Wiener Filmfestivals mit dem jüdisch-wienerischem Namen. Das Wort »Shalom« bedarf keiner näheren Erläuterung. »Oida« hingegen ist für alle, die nicht Wienerisch sprechen, ein Begriff mit mehr Bedeutungen als Buchstaben. Es heißt »Alter« und kann je nach Aussprache und Intonation Hochachtung, Geringschätzung, Wut, Freude, Interesse, Desinteresse, Verwirrung, Erleuchtung, Erregung, Langeweile, Wohlbefinden oder auch Unwohlsein ausdrücken. Weil in diesem Jahr eine gewisse Dringlichkeit mitschwinge, habe man den Titel aus dem Jahr 2014 wieder aufgegriffen, so Kaczek.
Zwei Wochen lang werden im Metro Kinokulturhaus und in den Village Cinemas Filme gezeigt, die jüdisches Leben in möglichst vielen Facetten zeigen. Seit 1991 gibt es das Jüdische Filmfestival in Wien. Und dieses Jahr zieht sich vor allem ein roter Faden durch das Programm: das Thema Antisemitismus.
»Wir leben in Europa. Trotz enger Beziehungen zu Israel müssen wir uns hier für ein friedliches Miteinander einsetzen«, sagt Kaczek. Dass man mit einem solchen Festival beim Großteil des Programmkino-Publikums offene Türen einrenne, sei schon klar, fährt er fort. Aber schon der Umstand, dass der eine oder andere doch mit neuen Eindrücken nach Hause gehen und diese Eindrücke in sein soziales Umfeld tragen könne, sei ein Gewinn.
20 von 50 Filmen sind von Frauen gemacht
Das andere wichtige Thema ist der »Dialog«. Deshalb finden sich im Rahmenprogramm auch drei Diskussionsveranstaltungen. In »Von orthodox bis queer« unterhalten sich Oberrabbiner Jaron Engelmayer (IKG), der Historiker Mitchell Ash, Sashi Turkof (Nooodnik, JöH) und Lia Böhmer vom Peace Camp über jüdische Identität. Im Panel »The Day after – Perspektiven für Frieden« sitzen der aus Gaza geflohene Friedensaktivist Hamza Abu Howidy, Sashi Turkof, die Filmemacherin Ruth Beckermann, der Historiker Awi Blumenfeld sowie der Regisseur und Journalist Guy Lichtenstein beisammen.
20 der rund 50 vorgestellten Filme sind von Frauen gemacht – wie Halisa über Kinderwunsch, Up in Arms über kämpfende Frauen oder Women of Virtue über religiöse Fragen und Weiblichkeit. Etwa die Hälfte der Filme kommt aus Israel, darunter Kissufim über einen der Kibbuzim, die am 7. Oktober 2023 überrannt wurden, Real Estate über den Irrsinn der Wohnungssuche in Tel Aviv und Open Wound, die zweite Arbeit des beduinisch-israelischen Regisseurs Yousef Abo Madegem über die Bedeutung des 7. Oktober in seiner Gemeinschaft.
Zores, Dating, Jazz
Doch auch in beunruhigenden Zeiten wie diesen muss geschmunzelt und gestaunt werden – wie im ungarischen Eröffnungsfilm All About the Levkoviches, der Familien-Zores aufs Korn nimmt, wie im zweiten Teil des israelischen Streaminghits Matchmaking über ultraorthodoxe Dating-Probleme oder auch wie in der jazzigen Film-Noir-Parodie The City. Film ab!
»Shalom Oida« läuft noch bis zum 25. März.