Baden-Baden und Zürich – das sind die beiden Fixpunkte im Leben von Jonathan Schächter. Der 34-jährige Radiomoderator wuchs in der Schweizer Metropole auf und hat dort noch immer sein soziales Umfeld. In Baden-Baden, dem Sitz des Südwestrundfunks (SWR), fand er vergangenen Sommer seine berufliche Heimat.
Seit dem 1. August moderiert Schächter, der bereits mit 13 Jahren zum ersten Mal in ein Radiomikrofon sprach, zusammen mit Anneta Politi die beliebte Morningshow auf SWR3, dem Radioprogramm, das sich vor allem, aber nicht ausschließlich, an junge Hörer wendet.
Der 1. August als Datum für seinen Start in der Bäderstadt war nicht zufällig gewählt. Denn an diesem Tag feiert die Schweiz Geburtstag. Und Schächter ist beim SWR wohl auch ein wenig »der Schweizer« – selbst wenn oder gerade weil er sich darum bemüht, ein möglichst neutrales Hochdeutsch zu sprechen und nicht der Klischeevorstellung der deutschen Hörer zu entsprechen.
Schächter und die aus Griechenland stammende Anneta Politi sind ein Duo. Sie wechseln sich im Zweiwochenrhythmus mit dem seit vielen Jahren moderierenden Duo Sascha Zeus und Michael Wirbitzky ab, die als »der Bayer und der Rheinländer« bekannt sind und diese Karte auch gerne ausspielen.
Fernsehen Schächter kennt die Tücken, mit einem Klischee zu spielen: »Schweizer in Deutschland zu sein, hat nicht nur Vorteile.« Es könne durchaus sein, dass sich der eine oder andere Hörer fragt, warum es denn nötig sei, einen Schweizer Radiomoderator zu engagieren. »Bis jetzt ist aber alles gut gegangen«, sagt Jonathan Schächter, den fast alle nur »Jontsch« nennen – eine Art Verballhornung seines Vor- und Nachnamens.
Immerhin hat er in Deutschland auch schon Fernseherfahrung gesammelt. So moderierte er vor einigen Jahren im Digitalsender EinsPlus die Spielshow Wer’s bringt, gewinnt. Doch Schächter hat nicht vergessen, dass es vor ein paar Jahren bei einem Zürcher Privatsender eine deutsche Radiomoderatorin gab, die derart angefeindet, ja sogar bedroht wurde, dass sie ihre Zelte in der Schweiz schnell wieder abbrach. »So etwas ist natürlich ein Albtraum«, sagt er dazu.
Doch davon scheint bei ihm keine Rede zu sein. Die »Schweizer Karte« sticht voll mit Schächter. So hat er vor ein paar Monaten, zusammen mit ausgewählten Hörern, eine der beliebten Reisen des Senders unternehmen können. Diese führte – natürlich! – in die Schweiz und durch den neuen Gotthard-Basistunnel, den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Der Radiomoderator präsentierte ihn, neben vielen weiteren Sehenswürdigkeiten, seinen Mitreisenden derart stolz, als hätte er ihn eigenhändig erbaut.
Jüdischsein Ein wenig zurückhaltender geht Schächter mit seinem Judentum um, auch wenn er daraus kein Hehl macht: »Mit meinem Namen wäre das auch etwas schwierig«, sagt er und grinst – er, der nach einer soliden jüdischen Erziehung in einem orthodoxen Elternhaus an der prestigeträchtigen New Yorker Yeshiva University Soziologie studiert hat.
Im Herbst, einige Tage vor Rosch Haschana, hatte er die Idee, die Bedeutung der jüdischen Feiertage im Radio kurz zu erläutern. Doch er musste feststellen, dass das nicht ganz so einfach ist, wie er sich das aus Schweizer Sicht vorgestellt hatte. »Man sagte mir, das sei schwierig, weil die Zeiten für die einzelnen Religionsgemeinschaften im Sender streng reglementiert sind.« Es hätten dann eben auch Muslime, Katholiken, Protestanten oder andere das Recht, ihre jeweiligen Feiertage zu erklären. »Das würde das Sendekonzept von SWR3 deutlich durcheinanderwirbeln«, meint Schächter.
Trotzdem hat sein Judentum den einen oder anderen Einfluss auf seine Arbeit: So zeichnete er zum Beispiel den Trailer für die Gotthard-Reise im Herbst extra vor den Hohen Feiertagen auf, um dann frei zu haben. Doch immer, wenn ein Feiertag zu Ende ging, musste er Zürich sofort verlassen und sich auf den Weg nach Baden-Baden machen. So war zum Beispiel das Ende von Jom Kippur für Schächter eine eher stressige Angelegenheit: Er verbrachte den höchsten jüdischen Feiertag zwar wie gewohnt bei seiner Familie in Zürich. Doch sofort nach dem sogenannten Anbeißen, dem gemeinsamen Mahl am Abend, musste er ins Auto steigen und die 250 Kilometer nach Baden-Baden zurückfahren.
Rhythmus In seinem ersten Jahr beim SWR konzentriert sich Jonathan Schächter auf die Moderation der Morningshow. Dabei entstehen gewisse Gags manchmal erst Sekunden vor der Ausstrahlung, zum Beispiel während noch ein Musikstück läuft. »Das ist ein schneller Rhythmus, an den ich mich erst noch gewöhnen muss.«
Gleiches gilt für die zweiwöchigen Moderationsschienen. Die beginnen früh um fünf Uhr und sind erst nach dem Mittag zu Ende, denn nach der Sendung um neun Uhr gibt es ein Feedback, und man plant die Sendung für den nächsten Tag. Doch Motivationshilfe braucht Schächter keine: »Es ist schon eine Art Traumjob für mich.«