Das Votum fiel eindeutig aus: Beim Kongress des norwegischen Gewerkschaftsdachverbandes LO (Landsorganisasjonen i Norge) stimmten 193 Delegierte für einen kompletten Israelboykott, der Wissenschaft und Kultur, Wirtschaft und Einzelpersonen einschließt. 177 stimmten dagegen.
Für Hans-Christian Gabrielsen endete damit sein erster Tag als neuer LO-Vorsitzender mit einer krachenden Niederlage. Der 49-Jährige hatte sich klar gegen die Annahme des Boykott-Beschlusses ausgesprochen, wenn auch nicht etwa aus Israel-Freundlichkeit: »Unsere Solidarität mit dem palästinensischen Volk ist so stark wie die Grundmauern des Folkets Hus, des Gewerkschaftshauses in Oslo«, hatte er betont und anschließend vor den Folgen des Boykotts gewarnt, weil der »die palästinensischen Arbeiter und Gewerkschaftsbewegungen treffen« werde.
Medien Trotz des Abstimmungserfolgs blieb der ganz große Jubel bei den Boykottbefürwortern in den Tagen nach dem Kongress allerdings aus. Und das lag nicht nur daran, dass die Reaktionen in den meisten Medien des Landes eher negativ ausfielen, sondern auch daran, dass der Beschluss nicht einmal Signalwirkung haben wird.
Die Unterstützung der großen Parteien ist ausgeblieben, zur offiziellen Regierungspolitik wird die Isolierung Israels in absehbarer Zeit nicht werden. Rein wirtschaftlich betrachtet wäre ein Israelboykott ohnehin von Nachteil für Norwegen: Erst vor zwei Wochen hat die israelische Frachtgesellschaft CAL eine neue Route zwischen dem Osloer Flughafen Gardermoen und Tel Aviv eröffnet. Einmal wöchentlich wird eine Boeing 747 Fisch und Meeresfrüchte nach Israel bringen. Besonders beliebt bei Israelis ist der Norsk Lachs, 70 Prozent der importierten Ware stammen aus Norwegen.
Willy David Ekre, Vorsitzender der norwegisch-israelischen Handelskammer, verurteilte den Boykottbeschluss als »Antisemitismus der schlimmsten Sorte«, verwies aber auch darauf, dass »er eine Tragödie für die norwegische Gewerkschaftsbewegung« sei, denn »jetzt sehen wir eine gespaltene LO. Das wird negative Folgen haben«. Ekre spielte damit darauf an, dass bereits kurz nach dem Kongress LO-Mitglieder ihren Austritt erklärt hatten, darunter vor allem Sozialdemokraten, für die das Ergebnis mit dem Programm ihrer Partei unvereinbar ist.
»Ich bin gegen einen Boykott«, hatte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet, Jonas Gahr Støre, schon Tage vor der Abstimmung gesagt. »Ich glaube nicht, dass uns ein solcher Boykott einer politischen Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern, der Gründung eines palästinensischen Staates und der Förderung der Menschenrechte näherbringt.« Støres Haltung dürfte die Gewerkschafter allerdings nicht überrascht haben. Bereits 2006 hatte er als damaliger Außenminister einen Boykottaufruf von Finanzministerin Kristin Halvorsen (Linkspartei) scharf verurteilt.
Effekt Auch die norwegischen Christdemokraten kritisierten die Gewerkschaftsinitiative. Hans Olav Syversen, parlamentarischer Geschäftsführer der Partei, erklärte, ein Boykott werde »nicht zu Frieden und Versöhnung führen, sondern eher einen umgekehrten Effekt haben«.
Regierungschefin Erna Solberg von der liberalen Partei Høyre bezeichnete einen Boykott als »kontraproduktiv« und bedauerte den Beschluss, denn »die norwegischen Gewerkschafter haben früher intensiv am Aufbau Israels mitgearbeitet«. Die seit 2013 gemeinsam mit der Høyre regierende rechtspopulistische FrP (Fremskrittspartiet) sprach sich ebenfalls gegen einen Israelboykott aus – nahm aber auf ihrem Parteitag am vorigen Wochenende gleichzeitig mit großer Mehrheit ein generelles Beschneidungsverbot für Jungen in Norwegen in ihr Programm auf.
Für VINA, die Israelfreunde in der Arbeiterbewegung, ist das ein Affront: Juden solle das Leben in Norwegen mit einem Verbot der Brit Mila offenkundig unmöglich gemacht werden, stellte der jüdische VINA-Vorstand Marius Gaarder fest.
Rabbiner Joav Melchior von der Jüdischen Gemeinde in Oslo nannte den LO-Beschluss »beschämend« und »unmoralisch«. Der Gewerkschaftsbund habe damit »formal alle Hoffnung auf so etwas wie einen Dialog mit Israel aufgegeben«. Das sei »für alle, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen, ein Schlag ins Gesicht«.
Doch sei »der Boykott von jüdischen Geschäften, Unternehmen und Einzelpersonen und nun auch noch des Staates Israel leider nichts Neues auf der Welt«, so Melchior weiter. »Ich werde trotzdem auch in Zukunft mit allen zusammenarbeiten, die sich für Dialog, Solidarität, Menschenrechte und eine friedliche Welt einsetzen.«