Es war eine aufwühlende Rede, die Steven Spielberg kürzlich an der University of Southern California hielt: Er sei zunehmend besorgt, »dass wir dazu verurteilt sein könnten, die Geschichte zu wiederholen und erneut um das Recht, Jude zu sein, kämpfen müssen«, sagte der Hollywoodregisseur anlässlich seiner Ehrung für die Erinnerungsarbeit der Shoah Foundation, die der 77-Jährige vor genau 30 Jahren gegründet hat.
Deren Arbeit wird auch der aktuellen Lage gerecht. Als viele Menschen nach den Hamas-Massakern des 7. Oktober 2023 noch mit Sprachlosigkeit kämpften, nahm die USC Shoah Foundation die Arbeit auf: Innerhalb von zwölf Tagen wurden in Israel Mitarbeiterteams mobilisiert, um Aussagen von Überlebenden zu dokumentieren, die im Stil denen ähneln, die seit 1994 mit Schoa-Überlebenden gemacht werden. Diese Audio- und Videointerviews sollen Teil der Sammlung Moderner Antisemitismus (Countering Antisemitism Through Testimony, deutsch: Antisemitismus mit Zeugenaussagen bekämpfen) werden.
Daten liefern
Bereits seit 2015 dokumentiert die Shoah Foundation neben dem Holocaust und anderen Völkermorden auch gewaltsame Auswüchse von Antisemitismus nach 1945. Diese Bemühungen wurden seit dem Antritt von Robert J. Williams als Direktor Ende 2022 noch verstärkt. Es sei wichtig, schnell zu handeln, um Wissenschaftlern, Journalisten und Völkerrechtlern wichtige Informationen und Daten liefern zu können, so der Historiker. Außerdem seien es nicht zuletzt die israelischen Überlebenden selbst, die ihre Geschichte erzählen wollten. »Besonders wenn sie um einen lieben Menschen trauern oder ein Familienmitglied als Geisel verschleppt wurde, wollen sie die Welt wissen lassen, wer die Leute sind.«
Aussagen wie die von Millet Ben Haim, die den Angriff auf das Nova-Festival überlebt hat, sind schwer auszuhalten. Die 27-Jährige bewunderte gerade mit Freunden den Sonnenaufgang, als der Raketenbeschuss begann. Kurz darauf hörten sie Schüsse und rannten um ihr Leben. Mit zwei weiteren jungen Frauen versteckte sie sich mehrere Stunden lang flach auf dem Rücken liegend unter Büschen. Sie hörten Schreie in der Nähe ihres Verstecks. »Wir verabschiedeten uns per Kurznachricht von unseren Familien und hatten mit dem Leben abgeschlossen«, berichtet sie gefasst. Gerettet wurden sie von einem Freiwilligen, der mit seinem Auto kam, um so viele Menschen wie möglich aus der Gefahrenzone zu bringen.
Bereits mehr als 250 Aufnahmen
Maor Moravia, 37, und seine Familie überlebten mehr als zehn Stunden im Schutzraum ihres Hauses im Kibbuz Kfar Aza, während draußen Hamas-Terroristen Menschen jagten. »Wir hätten nie gedacht, dass so etwas noch einmal passiert«, sagt er mit zitternder Stimme. Die Shoah Foundation arbeitet immer auch mit Therapeuten vor Ort, um sowohl den Überlebenden als auch ihren Teams, die die Interviews führen und transkribieren, die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Zum Dokumentationsprozess gehört, dass die Überlebenden nach einigen Jahren erneut befragt werden, um zu erfahren, wie sie die Ereignisse verarbeitet haben und wie es ihnen in der Zeit danach ergangen ist.
»Ich hätte nicht erwartet, dass ich zu meinen Lebzeiten solch barbarische Übergriffe auf Juden erleben muss«, hatte Spielberg nach dem 7. Oktober gesagt. »Wir versprechen den Überlebenden, dass ihre Erfahrungen gesammelt werden, mit dem Ziel, Geschichte zu bewahren und Antisemitismus und Hass jeglicher Art in der Zukunft zu verhindern.«
Die schon mehr als 250 Aufnahmen von Überlebenden der Gräueltaten in Israel werden im Visual History Archive für die Nachwelt erhalten und zugänglich gemacht.