Im Talmud steht geschrieben, »das Königtum aus Fleisch und Blut« sei »eine Erinnerung an das Königtum des Himmels«. Das heißt: Wenn wir einen König sehen, erinnert es uns daran, wie groß Gott ist, der König der Könige.
So erging es am vergangenen Schabbat bei den Krönungsfeierlichkeiten in London auch dem britischen Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis.
»Als ich den König und die Königin mit ihren Kronen vor mir sah, war das etwas ganz, ganz Besonderes. Da war eine Aura, sie war greifbar, sie war einfach da, und man konnte sie spüren. Und das war etwas, worauf ich nicht vorbereitet war: Es kam einfach, und es war sehr kraftvoll. Daher war es für mich ein großes Privileg, in diesem Moment dabei zu sein und unsere Gemeinschaft zu vertreten«, sagte er den Jewish News.
Mirvis und seine Frau Valerie waren am Freitagabend und am Samstag im St. Jamesʼ Palace untergebracht, damit sie sowohl den Schabbat halten als auch am Krönungsgottesdienst teilnehmen konnten. Der Oberrabbiner lobte die Gastgeber und das Personal. Man habe alles getan, um ihm und seiner Frau den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Es habe einige Zimmer gegeben, in denen automatisch das Licht angeht, wenn eine Person eintritt, aber: »Der Palast hat dafür gesorgt, dass immer jemand vor uns ging, sodass wir nicht das Licht auslösten.«
RUFE Auf dem Weg zur Westminster Abbey hörte Mirvis Rufe wie »Schalom« und »Schabbat Schalom« und scherzte später im Gespräch mit britischen Journalisten, die ersten Rufe seien sicherlich von Nichtjuden und die zweiten von Juden gekommen.
Dass es dann im christlichen Krönungsgottesdienst so viele Verweise auf das Judentum gab, habe ihn nicht überrascht, sagte der Oberrabbiner. So sei der Segen, den der Erzbischof von York gesprochen habe, eine direkte Wiederholung des Segens der Kohanim: »Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr wende dir sein Angesicht zu und gebe dir Frieden!«
Am Ende der Krönungszeremonie richteten Mirvis und führende Vertreter anderer Religionsgemeinschaften an King Charles einen Gruß, der aus Rücksichtnahme auf den Oberrabbiner bewusst ohne Mikrofon gesprochen wurde. Sie sagten zum König: »Majestät, als Glaubensnachbarn erkennen wir den Wert des öffentlichen Dienstes an. Wir vereinen uns mit Menschen aller Glaubensrichtungen und Überzeugungen in der Danksagung und stellen uns mit Ihnen in den Dienst des Gemeinwohls.«
Danach habe der Rabbiner im Palast, wie er Journalisten sagte, »ein wunderbares Schabbes-Mittagessen und eine Seuda Schlischit« eingenommen, bevor er Mincha betete und danach wieder nach Hause zurückkehrte.
MEILENSTEIN Dass so viele Schabbatbräuche – Kerzenzünden, Kiddusch, Seuda – erstmals in einem königlichen Haushalt stattfanden, gilt vielen britischen Juden als Meilenstein.
Im Gespräch mit Journalisten sagte Oberrabbiner Mirvis über seine Teilnahme an der Krönung: »Es ging nicht um mich und meine Frau, sondern um die jüdische Gemeinde, die geehrt wurde. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich diese Rolle hatte. Was wir erlebten, geschah im Namen aller.« ja