Dies ist die Geschichte eines Mannes – ein Märchen, jedoch ohne glücklichen Ausgang. Hauptfigur ist ein jüdischer Prinz, wie er im Buche steht: Der Knabe mit dem auffällig lockigen Haar wurde 1992 in Stanford (Kalifornien) geboren – direkt auf dem Campus der weltberühmten Universität.
Seine beiden Eltern, Barbara Fried und Joseph Bankman, sind Professoren an der Stanford Law School. Schon früh wurde bei dem behütet im links-elitären Milieu der »Ivy League«-Universität aufwachsenden Sam eine mathematische Begabung festgestellt. Seine Eltern sorgten dafür, dass er Fortgeschrittenenkurse besuchen durfte, und schickten ihn im Sommer in die »Canada/USA Math Camps«, eine beliebte Ferienfreizeit für mathematisch begabte Jugendliche. Dort blühte der talentierte Sam, der sich in der regulären Schule furchtbar langweilte, auf.
Seine Kryptobörse FTX brachte es auf einen Wert von 32 Milliarden Dollar.
Besonders begeisterte er sich für sogenannte »Puzzle Hunts« – Rätseltouren durch Orte oder Landschaften, bei denen Teams gegeneinander antreten, um eine Reihe von Aufgaben zu lösen. Später organisierte Sam Bankman-Fried, den bald alle SBF nennen sollten, diese Puzzle Hunts in großem Stil und ließ Schulen gegeneinander antreten.
Seine Mutter sagt dazu, sie habe damals eine gänzlich andere Seite an ihm entdeckt, die sie zuvor noch nie gesehen hatte – nämlich »beeindruckende Manager-Fähigkeiten« und »die Fähigkeit, einen sichtbaren, ansteckenden, überschwänglichen Enthusiasmus für Dinge zu entwickeln«, wie sie das Nachrichtenportal »Yahoo Finance« zitiert. Eine Fähigkeit, die dem jungen Mann bis heute geblieben ist.
STUDENT 2010 schrieb er sich am Massachusetts Institute of Technology ein. Seine Studentenverbindung Epsilon Theta (ET) bestand aus lauter Nerds, die statt US-üblicher Alkoholexzesse Strategiespiele bis tief in die Nacht vorzogen. SBF tat sich dort ganz besonders bei Spielen hervor, bei denen es um schnelles Denken und Handeln ging. Wenn Schach gespielt wurde, bestand er immer darauf, gegen die Uhr zu spielen, erinnern sich Kommilitonen an Bankman-Fried. Seine Liebe zum Videospiel »League of Legends« behielt er über die Unizeit hinaus bei.
Bankman-Fried schloss die Elite-Uni im Hauptfach Physik und im Nebenfach Mathematik ab. Seine Ablehnung konventioneller Ausbildung blieb. Rückblickend sagte er in einem Interview: »Nichts von dem, was ich am College gelernt habe, erwies sich im Nachhinein als sinnvoll – außer etwas sozialer Entwicklung. Auf der akademischen Seite hingegen ist alles verdammt sinnlos.«
Gleichzeitig entwickelte SBF eine Faszination für die umstrittene Spendenideologie des »Effektiven Altruismus«. Bankman-Fried wurde Veganer, arbeitete bei unterschiedlichen Investmentunternehmen, bloggte über eine bessere Welt und gründete im Alter von 25 Jahren schließlich seine Kryptobörse FTX.
privatvermögen In Windeseile wuchs FTX – und bald war Sam Bankman-Fried mit einem Privatvermögen von 26,5 Milliarden Dollar einer der reichsten Amerikaner. Seine Kryptobörse für Kunstwährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Tether brachte es auf einen Börsenwert von 32 Milliarden Dollar – mehr als die Deutsche Bank wert ist.
Bankman-Fried wurde zum Liebling der Stars: Er war der »Jewish Prince«, der Geld nur verdienen wollte, um es zu spenden, war gern gesehen bei den Reichen und Schönen in Amerika. Die Quarterback-Legende Tom Brady warb für ihn, dessen Ex-Frau, Top-Model Gisele Bündchen, auch die Basketball-Stars Shaquille O’Neal und Stephen Curry rührten die Werbetrommel für FTX und investierten selbst.
Doch dann brach das Krypto-Kartenhaus samt seinem fiebrigen Handel zusammen. Am 11. November stellten FTX und etliche Töchter in den USA einen Insolvenzantrag – somit waren auch Übernahmegedanken des Konkurrenten Binance Makulatur. Die Einlagen von rund einer Million Anlegern – sie sind wohl für immer perdu. Eine Sammelklage fordert elf Milliarden Dollar Schadenersatz.
VERSAGEN Am 13. Dezember wurde SBF in seiner 30-Millionen-Villa auf den Bahamas verhaftet, nachdem er noch am 30. November per Videoschalte am »DealBook Summit« der »New York Times« teilgenommen hatte und dort Fragen nach Schuld und Ursache für den FTX-Crash beantwortete.
Auf der Konferenz, an der auch Gäste wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnahmen, betonte Bankman-Fried seine Unschuld. Dass er seinen Hedgefonds Alameda Research mit FTX-Einlagen zu retten versuchte, erklärte Bankman-Fried mit geschäftlicher Unfähigkeit. »Wir haben total versagt«, sagt SBF.
Er war fasziniert von der umstrittenen Spendenideologie des Effektiven Altruismus.
Versagt als einer, der nur Milliarden gemacht haben will, um sie zu spenden, versagt als der Prinz von Stanford, der effektive Altruist. Als die Handschellen klickten, da schien dieses jüdische Märchen vom genialen Einzelgänger, der Geld verdienen wollte, um die Welt zu retten, abrupt beendet. Schließlich erklärte sich Bankman-Fried einverstanden damit, an die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden. Dort muss er sich nun dem Vorwurf des Betrugs stellen. Betrug an seinen Anlegern? Das hat er stets vehement bestritten.
kredite Medienberichten zufolge sollen SBF und andere Manager private Kredite in Milliardenhöhe von Alameda Research erhalten haben. Dies berichtete die frühere Geschäftsführerin Caroline Ellison. Sie und FTX-Mitgründer Gary Wang sagten kürzlich vor Gericht aus, bekannten sich schuldig und arbeiten nun im Rahmen eines sogenannten »Plea Deals« mit den Ermittlern zusammen, in der Hoffnung auf Strafminderung. Vermutlich werden beide vor Gericht gegen Sam Bankman-Fried aussagen.
Der Prinz, der die Welt retten wollte, das hochbegabte Kind, der effektive Altruist, er wird jetzt in einem Atemzug mit schwerstkriminellen Anlagebetrügern wie Bernie Madoff genannt. Ob das korrekt ist, das werden jetzt die Gerichte klären.