Viele Australier sind erleichtert: »Endlich ein vorzeigbarer Premierminister«, sagen sie über Malcolm Turnbull. Mit 54 zu 44 Stimmen gewann der 60-Jährige Mitte September eine Kampfabstimmung innerhalb der regierenden Liberal Party gegen Amtsinhaber Tony Abbott, seinen langjährigen parteiinternen Gegenspieler. Einen Tag später wurde Turnbull dann als neuer Premierminister vereidigt.
Sein Handstreich ereignete sich am jüdischen Neujahrsfest. Und in der Tat sieht auch die etwa 110.000 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde Australiens Anlass zur Freude. Der Executive Council of Australian Jewry erklärte, Turnbull sei ein verlässlicher Partner der jüdischen Gemeinde und Israels sowie ein Freund, der die Gemeinde nach Kräften unterstützt. Der frühere Vorsitzende des Council, Isi Leibler, sagt es pointierter: »Turnbull ist der intelligenteste Parlamentarier, den wir haben. Seine pro-israelische Haltung ist klug und anspruchsvoll, und seine Beziehungen zur jüdischen Gemeinde Australiens sind außergewöhnlich gut.«
traditionen Oft hat Turnbull betont, dass er die starken familiären Traditionen und die »heimische« Atmosphäre in der jüdischen Gemeinde schätzt. Vor zwei Jahren verriet er in einem Zeitungsinterview, dass er möglicherweise jüdische Wurzeln hat. Jedenfalls habe ihm seine Mutter, als er noch ein Kind war, öfter erzählt, dass es auf der Seite der Großmutter jüdische Vorfahren gegeben habe. Turnbull kann dies nicht erhärten, die Mutter ist inzwischen gestorben.
Ob der charismatische Mann, der seine Reden oft mit jiddischen Einsprengseln würzt, tatsächlich jüdische Wurzeln hat, sei eher nebensächlich, finden viele australische Juden. Der Rabbiner der zentralen Synagoge in Sydney, Levi Wolff, hat Turnbull jedenfalls längst »adoptiert«: »Malcolm ist ein enger Freund. Er hat wahrscheinlich mehr Wissen über das Judentum als etliche unserer Gemeindemitglieder. In meiner Synagoge nennen wir ihn jedenfalls immer Moishe – Moishe Turnbull.«