Wie viele Medien weltweit meldete kürzlich auch der staatliche griechische Sender ERT, dass ein Gemälde von Gustav Klimt an seine rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wurde. Bei ERT jedoch hieß es, die ursprüngliche Besitzerin habe das Werk von Klimt, einem »nicht gerade braven Jungen«, »aus finanziellen Gründen und zum Bestreiten des Lebensunterhalts verkauft«.
Die Formulierung der Nachricht sorgte für einen Shitstorm in sozialen Netzwerken. Denn sie impliziert, dass eine Person etwas rechtmäßig verkauft, mit dem Geld den Lebensunterhalt bestritten und es später per Klageweg wieder in Besitz genommen hat. Die gleichzeitige Herabwürdigung des Künstlers durch den Nachrichtensprecher Antonis Alafogiorgos rückt den gesamten Vorgang in ein noch schlechteres Licht.
raubkunst Klimts Gemälde »Rosen unter Bäumen«, das derzeit im Pariser Musée d’Orsay hängt, wurde während der Nazizeit unter Zwang »arisiert« und der jüdischen Österreicherin Nora Stiasny 1938 für einen lächerlichen Preis abgepresst. Raubkunst, die nun an die Erben der im Konzentrationslager ermordeten Stiasny zurückgegeben wird.
Zumindest in diesem Punkt korrigierte sich der Sender ERT in seiner Hauptnachrichtensendung am Abend desselben Tages. Nun hieß es, »das Werk wurde während der Nazizeit in Österreich aus finanziellen Gründen von der ursprünglichen Besitzerin für einen unangemessen niedrigen Preis an einen Sympathisanten des Regimes verkauft«. Endlich wurde erwähnt, dass die ursprüngliche Besitzerin Opfer der Schoa wurde.
Es ist eine halbherzige Korrektur, bei der die Chance vertan wurde, auf die Zwangsarisierungen in der Nazizeit hinzuweisen. Mit einem Zeitmangel allein lässt sich diese mangelhafte Aufklärung nicht entschuldigen. Die Hauptnachrichtensendung des ERT dauert eine Stunde.
Absicht Es mag keine böse Absicht dahinterstecken. Schließlich informierte derselbe Sender seine Zuschauer wenige Tage zuvor über den 78. Gedenktag für die Juden Thessalonikis. Am 15. März 1943 fuhr der erste Zug mit 2800 griechischen Juden in die Vernichtungslager. Von 54.000 jüdischen Einwohnern Thessalonikis überlebten nur 1950.
Bis 1902 stellte die jüdische Gemeinde mehr als die Hälfte der Einwohner der heute zweitgrößten griechischen Stadt. Heute ist Thessaloniki mit rund 1100 Gemeindemitgliedern die zweitgrößte Gemeinde im Land.
Der subtile Antisemitismus im Land kommt keineswegs nur aus dem rechtsradikalen Lager.
Der Antisemitismus bleibt präsent. Am 18. März beschmierten Unbekannte ein Mural des Straßenkünstlers Same84. Das von UrbanAct und Action Hellas geförderte Wandbild in der Andreas-Kalou-Straße an der östlichen Begrenzung des Hauptbahnhofs von Thessaloniki erinnert an den Holocaust.
Linke Der subtile Antisemitismus im Land kommt keineswegs nur aus dem rechtsradikalen Lager. Die der linken SYRIZA-Partei nahestehende, prominente Journalistin Elena Akrita fand es angemessen, die aktuelle Corona-Lage im Land mit einem »Wir leben in Auschwitz« zu kommentieren, »in Kürze werden wir Sterne auf das Revers unseres Mantels nähen, damit sie wissen, auf wen sie in dieser endlosen Kristallnacht treten«.
Ein Affront, auf den der Zentralrat der Juden in Griechenland mit sofortigem Protest reagierte. Doch Akrita ließ nicht nach und lieferte der Verharmlosung des Holocaust einen schlimmen Fauxpas nach.
Sie postete in sozialen Netzwerken das Foto einer weiteren Journalistin, Tatiana Stefanidou, und warf dem Zentralrat Doppelmoral vor. Auf dem Instagram-Foto ist die Journalistin lächelnd zu sehen. »In Auschwitz«, meint Akrita. In der Tat belustigte sich Stefanidou recht unpassend – jedoch nicht in Auschwitz, sondern am Holocaust-Mahnmal in Berlin. Ein Unterschied, den eine Kolumnistin mit dem Anspruch von Akrita hätte erkennen müssen.
Karikaturen Immer wieder fällt auch die linke Zeitung »EfSyn« durch Antisemitismus auf. Sie bringt mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit geschmacklose Holocaust-Vergleiche für ihre politischen Karikaturen. So kommentierte sie im Januar ein umstrittenes Hochschulgesetz mit einer Zeichnung vom Eingang des Vernichtungslagers Auschwitz, über dem stand: »Studieren macht frei«.
Eine an den skizzierten Stacheldraht gemalte Tafel kritisierte die Polizeipräsenz an griechischen Hochschulen. Und Ende Januar, kurz vor dem Holocaust-Gedenktag, bezeichnete »EfSyn« die massiven Versteigerungen von Wohnungen überschuldeter Griechen als »Endlösung: Keinen Schutz mehr für die einzige Wohnung«, fügte erneut eine Zeichnung von Auschwitz bei und stellte den zuständigen Wirtschaftsminister in SS-Uniform dazu.