Herr Hunegs, wie ist die Situation derzeit in Minneapolis?
Wir durchleben gerade schlimme Zeiten. Wir leben im Schatten des Mordes an George Floyd durch Polizisten. Die Tat geschah am helllichten Tag, ohne Grund. Es ist schrecklich. Die Situation wurde durch die teilweise gewaltsamen Proteste zusätzlich angeheizt. Und das alles geschieht inmitten einer Pandemie. Wir erleben aber auch das Beste an den Menschen: die vielen Freiwilligen, die nach den Ausschreitungen beim Aufräumen helfen, die Essen an Schulen bringen und diejenigen unterstützen, deren Geschäfte zerstört wurden. Am Donnerstag wird es eine Trauerfeier für George Floyd geben. Viele Gefühle treffen gerade aufeinander: Trauer, Wut, Motivation.
Wie gehen die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft damit um?
Eigentlich auf die traditionell jüdische Art: Wir krempeln die Ärmel hoch und schauen, wo wir helfen können. Meine Frau ist eine der Freiwilligen. Auch Ärzte haben medizinische Unterstützung angeboten. Die jüdische Katastrophenhilfsorganisation »Nechama« ist mit Freiwilligen vor Ort. Viele Gemeindemitglieder helfen, wo sie können.
Ist denn ein Ende der Proteste absehbar?
Glücklicherweise gibt es zunehmend friedliche Demonstrationen. Das soll nicht heißen, dass der sehr emotionale Protest abflaut, aber die Menschen bringen ihren Wunsch nach einer grundlegenden Veränderung auf friedliche Art zum Ausdruck.
Werden sich die Ereignisse der vergangenen Woche auf die Präsidentschaftswahlen im November auswirken?
Ich denke, dass die Folgen des Mordes an George Floyd und die gewaltsamen Proteste dieses Land für Jahrzehnte prägen werden. Sie machen deutlich, dass Reformen nötig sind, und sie benennen die Institutionen, die immer noch diskriminieren.
Mit dem Direktor des Jewish Community Relations Council (JCRC) sprach Katrin Richter.