Berlin

Wie ein Holocaust-Überlebender aus der Ukraine auf Deutschland blickt

Der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman Foto: picture alliance/dpa

Roman Schwarzman engagiert sich seit Jahrzehnten für die jüdischen Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager in der Ukraine. Der 88-Jährige, der in der Hafenstadt Odessa lebt, ist selbst einer von ihnen. An diesem Mittwoch wird er im Deutschen Bundestag bei einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus sprechen - als zweiter Redner neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Schwarzman wurde 1936 in Berschad, nördlich von Odessa, geboren. Als jüdisches Kind wurde er im Sommer 1941 in das Ghetto Berschad deportiert - und überlebte. Das Bewusstsein, einer der wenigen Überlebenden der Massaker an den Juden in der Ukraine zu sein, prägt ihn bis heute. Auch in Odessa kamen in der NS-Zeit Tausende Juden ums Leben: Im Oktober 1941 wurden mehr als 25.000 jüdische Bürger aus dem Gebiet in ein Munitionslager getrieben, das deutsche und rumänische Besatzer in Brand steckten.

Kampf gegen das Vergessen

Wie ein roter Faden zieht sich das Bemühen, alles zu tun, damit diese Schrecken nicht vergessen werden, durch Schwarzmans Leben. Allein 30 Holocaust-Denkmäler im Gebiet von Odessa gehen auf seine Initiative zurück. Schon kurz nach Verkündung der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 gründete er zusammen mit Mitstreitern einen Verband ehemaliger jüdischer Ghetto- und KZ-Gefangener.

Noch immer ist er der Vorsitzende und versteht Erinnerungsarbeit als etwas sehr Konkretes. Er baute mit Helfern das Holocaust-Museum der Stadt auf, kümmert sich heute noch um die Pflege von Denkmälern. Mit Vorträgen in Schulen, Universitäten und jetzt im Bundestag hält er die Erinnerung wach.

Woher er in seinem Alter die Kraft für all die Aktivitäten nimmt? »Was mir sehr hilft, ist dieser typisch jüdische Humor in Odessa. Mit Humor kann man das Leben besser ertragen«, sagt Schwarzman.

Lesen Sie auch

Hoffen auf Ende des Krieges

Doch Anlass zum Lachen gibt es seit dem russischen Angriff auf die Ukraine kaum. »Leben kann man das nicht nennen, was wir seit dem 24. Februar 2022 haben. Jederzeit kann Dich ein Luftangriff treffen«, erzählt der Holocaust-Überlebende. Es gebe in Odessa gerade einmal 30 oder 40 Schutzräume, bei einer Bevölkerung von einer Million. Ende Dezember sei direkt neben seinem Wohnhaus eine Rakete eingeschlagen: »Unsere Wohnung wurde beschädigt, meine Frau und ich waren glücklicherweise zu diesem Zeitpunkt im Keller.«

Schwarzman hofft auf ein baldiges Ende des Blutvergießens und rechnet mit einer entsprechenden Initiative des neuen US-Präsidenten. »Wir setzen große Hoffnungen auf Donald Trump. Ich glaube, mit beiderseitigen Zugeständnissen und mit Hilfe von Trump wird der Krieg dieses Jahr zu Ende gehen«, sagt er zuversichtlich.

Dabei sieht er die Rolle des Westens in dem anhaltenden Krieg beileibe nicht nur positiv. »Insbesondere die Staaten, die uns im Budapester Memorandum die territoriale Integrität garantiert haben, sind mit schuld daran, dass die Ukraine jetzt in dieser Lage ist. Der Westen wollte gar nicht, dass wir diesen Krieg gewinnen«, kritisiert Schwarzman. So habe die Ukraine viel zu wenige Kampfflugzeuge bekommen, um sich ausreichend verteidigen zu können.

Judenhass deutlich stärker ausgeprägt

Gut möglich, dass er dies auch bei seiner Rede im Bundestag ansprechen wird - 15 Minuten stehen ihm dafür zur Verfügung. Ein Thema wird er ganz sicher nicht auslassen: Antisemitismus. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gebe es den - zumindest auf staatlicher Ebene in der Ukraine - nicht mehr. Im Alltag dagegen schon. Doch in anderen Ländern sei der Judenhass deutlich stärker ausgeprägt.

»Ich war letztes Jahr in Köln«, berichtet Schwarzman. »Und als ich von der Synagoge mit einer Kippa auf dem Kopf zu meinem Hotel gehen wollte, haben meine Freunde mich gewarnt.« Es sei gefährlich, mit der Kippa durch Köln zu gehen, es könne zu einem tätlichen Angriff kommen.

Der Schoa-Überlebende hat seine eigene Meinung zum gegenwärtigen Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland: »Ich weiß, dass nicht Ihr es seid, die so etwas tun. Das sind Menschen, die Merkel damals ins Land geholt hat.« Unter Trump werde dies nicht passieren, meint Schwarzman. »Der wirft Leute ohne Aufenthaltsgenehmigung aus dem Land.«

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

Vereinigte Arabische Emirate

EU kritisieren Todesstrafe für Mörder von Chabad-Rabbiner

Ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebender Rabbiner wurde verschleppt und ermordet. Ein Gericht verurteilte drei Täter zum Tod. Der Auswärtige Dienst der EU äußert Bedauern

 10.04.2025

Argentinien

Amia-Anschlag in Buenos Aires soll vor Gericht kommen

Hinter dem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum sollen die Hisbollah und Irans Regierung stecken. Nach vielen Jahren will die Anklage nun zehn Verdächtigen in Abwesenheit den Prozess machen

 08.04.2025

"Marsch der Lebenden"

Koschere Speisen für Besucher der Gedenkstätte Auschwitz

Wer religiös ist und heute die Gedenkstätte in Auschwitz besucht, soll in Kürze leichter Speisevorschriften einhalten können

von Leticia Witte  08.04.2025