Eigentlich sollte Essen dazu da sein, Kulturen zu verbinden. Doch jetzt befindet sich auch Hummus inmitten des Konflikts. Den Krieg zwischen Israel und der Hamas bekommen Israelis auch in den USA deutlich zu spüren, sie werden nicht selten bedroht und angefeindet. Währenddessen nimmt der Israel-Hass immer bizarrere Formen an: Eine neue Initiative ruft dazu auf, israelische Speisen zu boykottieren.
Nahezu 900 Köche, Köchinnen, Landwirte und andere Personen in der amerikanischen Lebensmittelbranche haben eine Vereinbarung unterschrieben, mit der sie zum Boykott israelischer Restaurants aufrufen. Die Organisation »Hospitality for Humanity« (Gastfreundschaft für die Menschlichkeit) leitet die Initiative.
Doch der Name hält nicht, was er suggeriert: Die Kampagne wurde im Oktober von einer Gruppe palästinensischer Köche und politischer Aktivisten gegründet, um Druck auszuüben. Sie wollen auf einen Waffenstillstand und ein Ende der amerikanischen Unterstützung für Israel drängen. Zu den Unterzeichnern gehören neben Produzenten prominente Küchenchefs wie Mason Hereford und die Jüdin Ora Wise. Auch Autoren sind dabei: Helen Rosner von »The New Yorker«, Samin Nosrat, Restaurantkritiker Stephen Satterfield und weitere amerikanische Celebritys der Lebensmittel- und Restaurantszene.
Hinter der Initiative steckt eine klare Ansage: Der Boykott sei »nötig, da Israel versucht, sich die palästinensische Küche anzueignen und sie aus der kulinarischen Welt zu tilgen, genau wie Israel das palästinensische Volk auslöschen will«, heißt es. Diese Israel-Feindlichkeit geht noch einen Schritt weiter: In den Augen der Unterzeichner ist die israelische Küche eine Form des Kolonialismus und der Unterdrückung.
»Boykotte sind für uns Israelis nicht neu. Ich empfinde alle Werbung als gute Werbung«: Gastronom Rafi Hasid
Rafi Hasid ist Israeli und lebt in den Vereinigten Staaten. Er ist Eigentümer des Lokals »Miriam« auf der Upper West Side in New York. Selbst in diesen Zeiten bleibt er optimistisch: »Boykotte sind für uns Israelis nicht neu. Ich empfinde alle Werbung als gute Werbung«, erklärt er mit einem Schuss Selbstironie. Ende Januar 2021 wurde eines seiner Restaurants mit antisemitischen Graffiti besprüht. Nach diesem Vorfall bekam er viele Solidaritätsbekundungen, selbst der Gouverneur von New York tweetete über den Vorfall. »Wir haben damals viel Unterstützung bekommen, und in den vergangenen Wochen war es ähnlich«, sagt Hasid.
Gleichwohl findet er es problematisch, dass in derartigen Krisensituationen Menschen sehr schnell andere Menschen kategorisieren. Seiner Meinung nach sei das Leben selten schwarz oder weiß. Als israelischer Restaurantbetreiber wurde ihm bereits »Essens-Kolonialismus« vorgeworfen. Seine Antwort: »Essen kolonisieren? Ich mache doch nur Schnitzel!«
Auf der Karte seines Restaurants findet man unter anderem Falafel, Schawarma und natürlich Hummus. Für Hasid ist die israelische Küche ein Gemisch aus Einflüssen vieler verschiedener Kulturen – genau wie die israelische Bevölkerung. Darunter sind palästinensische, syrische und irakische Küchen. »Wir haben nichts erfunden, doch wir haben der Fusion dieser Einflüsse einen Namen gegeben.« Im Mittelpunkt seiner Restaurants stehe das Essen und nichts anderes, macht er klar. »Mein Ziel ist es, gutes Essen anzubieten, Politik ist dabei völlig egal.«
Die israelische Kette »Café Landwer« ist in ihrem Heimatland sehr bekannt und in Nordamerika bereits mit acht Filialen vertreten. Moshe Landwer eröffnete sein erstes Caféhaus 1919 in Berlin. 1933, mit dem Aufstieg des Naziregimes, wanderte er nach Tel Aviv aus. In den USA ist Landwer vor allem wegen seines mediterranen Frühstücks und der großzügigen Portionen beliebt. »Ich sehe das Landwer als einen wichtigen jüdisch-israelischen Treffpunkt, besonders hier in den USA«, sagt die Amerikanerin Maya, während sie den Hummus mit einem Stück Pita vom Teller wischt.
Während »Hospitality for Humanity« israelisches Essen am liebsten verbieten würde, ist die Lust darauf in den USA ungebrochen: Der israelische Koch Eyal Shani eröffnete vor wenigen Tagen mit »Malka« ein koscheres Restaurant in New York. Kurz zuvor erhielt er seinen ersten Michelin-Stern für sein anderes New Yorker Lokal, »Shmoné«. Trotz Aufrufen zum Boykott ist es ständig ausgebucht – viele Monate im Voraus. Dana Wüstemann