Wenn es in den Vereinigten Staaten so etwas wie einen »jüdischen Sport« gibt, dann ist es zweifelsohne Baseball. Die Leidenschaft jüdischer Fans und das Engagement jüdischer Sportler im Baseball reichen weit zurück, bis in die Anfänge des Spiels. Grund genug für eine Spurensuche.
Das allererste offizielle Baseballspiel fand bereits 1846 in Hoboken im Bundesstaat New Jersey statt. Schon damals sollen jüdische Fans mit von der Partie gewesen sein. Und der allererste dokumentierte Baseball-Profi, Lipman Pike, besser bekannt als »Iron Batter«, der 1866 seinen Vertrag bei den Philadelphia Athletics unterschrieb, war ebenfalls jüdisch. Auch der erste Major-League-Spieler, der eine sechsstellige Summe verdiente, Hank Greenberg, war Jude – er erzielte satte 331 Homeruns.
GESCHICHTE Im Laufe der Zeit erhielten viele weitere Juden unterschiedlichste Auszeichnungen, beispielsweise Kenny Holtzman – der erfolgreichste jüdische Pitcher in der Baseballgeschichte! –, Batting-Champ Rod Carew sowie Steve Stone, Shawn Green, Ron Blomberg und Ryan Braun.
Das allererste offizielle Baseballspiel fand bereits 1846 in Hoboken im Bundesstaat New Jersey statt.
Der bislang wohl berühmteste jüdische Baseballspieler ist allerdings Sandy Koufax, der für die Los Angeles Dodgers kämpfte und alle nur erdenklichen Preise gewann. Er war auch der jüngste Spieler, der jemals in die Baseball Hall of Fame aufgenommen wurde. Koufax erntete die Bewunderung von Juden in aller Welt, als er es ablehnte, das erste Spiel der World Series 1965 zu werfen, weil es an Jom Kippur stattfinden sollte.
Stattdessen warf sein Kollege Don Drysdale und erntete dafür heftige Kritik, was ihn dazu veranlasste, seinem frustrierten Manager Walter Alston zu sagen: »Ich wette, Sie wünschten, ich wäre auch Jude!«
schlüsselrolle Juden spielten in den Anfangstagen des Sports auch organisatorisch eine Schlüsselrolle – obwohl ihnen jede Menge Hass entgegenschlug. So hetzte der Automagnat und wüste Antisemit Henry Ford 1919: »Wenn die Fans wissen wollen, was das Problem des amerikanischen Baseballs ist, reichen drei Worte: zu viele Juden.«
Auch deshalb standen bei amerikanischen Juden besonders die damals sogenannten »Negro Leagues« im Mittelpunkt. Dabei handelte es sich um US-Profibaseball-Ligen, deren Teams ausschließlich aus afroamerikanischen Spielern bestanden und die nicht Teil der Major Leagues waren. Das hatte viel mit der Politik der Rassentrennung zu tun, die in manchen Bundesstaaten der USA noch bis weit in die 50er-Jahre üblich war.
In ihrem 2014 verfassten und geradezu wegweisenden Artikel über dieses Kapitel der Baseball-Geschichte für das Nachrichtenportal »Vox« zitiert die Journalistin Dara Lind die Rabbinerin und Historikerin Rebecca Alpert von der Temple University in Philadelphia: »Es gab in den 1920er- und 30er-Jahren eine ganze Reihe von jüdischen Eigentümern von Negro League Teams. Sie waren zum Teil deshalb in diesem Geschäft, weil es ihnen als Juden nicht erlaubt war, in anderen Unternehmen tätig zu sein.«
lebensunterhalt Es sei eine ähnliche Geschichte wie die von Hollywood, schreibt Alpert. Die jüdischen Eigentümer seien sehr hilfreich gewesen, sie hätten später viele Spieler der Negro Leagues beim Übergang in die Major Leagues und bei der Sicherung ihres Lebensunterhalts unterstützt. »Die Negro Leagues waren in den 30er- und 40er-Jahren sehr erfolgreich, was zum Teil auf den Einfluss dieser jüdischen Eigentümer zurückzuführen war.«
Allerdings, so erwähnt Alpert ebenfalls, zeichneten sich diese jüdischen Eigentümer nicht immer durch Großherzigkeit aus, sondern eher durch Geschäftssinn. »Sie waren sicher nicht dafür da, den Status schwarzer Amerikaner zu verbessern. Das war schlichtweg nicht ihr Ziel.« Vielmehr sieht Alpert Parallelen zu dem Phänomen von auffällig vielen Immobilien in jüdischem Besitz in Bezirken mit einem hohen afroamerikanischen Bevölkerungsanteil, weshalb in den 60er-Jahren unter ihren Bewohnern das Begriffspaar »Racial Capitalism«, was sich mit Ethno-Kapitalismus übersetzen ließe, die Runde machte.
In den »Negro Leagues« gab es aber auch schwarze Juden, unter anderem in Portsmouth im US-Bundesstaat Virginia, wo die Belleville Grays spielten. Sie alle gehörten dem dortigen Temple Beth-El an. Die Belleville Grays hatten einige Probleme damit, die Liga davon zu überzeugen, dass sie nicht am Samstagnachmittag spielen wollten – ausgerechnet dem Tag mit den meisten Begegnungen auf dem Platz.
IKONE Der wohl prominenteste schwarze jüdische Baseballstar war Jackie Robinson. Rebecca Alpert beschäftigte sich intensiv vor allem mit seiner Biografie. »Ich fing an, über ihn zu schreiben, und argumentierte, dass er eine jüdische Ikone sei, genauso wie die vielen anderen jüdischen Baseballspieler«, so die Historikerin.
Und sie nennt ganz konkrete Gründe: »Es geht schließlich um die jüdischen Werte, mit denen auch ich aufgewachsen bin, vor allem der Wert der Gleichheit. Ich glaube, Juden betrachteten Jackie Robinson ganz nach dem Motto ›Wenn wir ihn unterstützen können, kann er es auch schaffen, und auch wir können Amerikaner sein.‹« Als Argument führt sie ferner an, dass über Robinson zahlreiche Bücher geschrieben wurden, sogar Romane und ein Broadway-Stück.
2021 unterzeichneten die ersten beiden orthodoxen Juden Verträge bei Teams der Major League.
Zudem standen in den 30er-Jahren Amerikas jüdische Kommunisten an vorderster Front, um die Integration schwarzer Spieler in die Major Leagues voranzubringen. »Das war ihr Hauptanliegen, das sie zusammen mit der schwarzen Presse propagierten«, so die Historikerin. »Sie waren sehr leidenschaftlich bei der Sache.«
veteranen Mittlerweile haben sich die Zeiten gewandelt. Aktuell zählt die Major League Baseball (MLB) 16 jüdische Spieler. Ein jüdischer Profi spielt in Mexiko, 91 weitere jüdische Athleten sind in den anderen US-Profi-Ligen unterwegs. 76 MLB-Veteranen sind noch am Leben, 92 bereits verstorben.
Im Jahr 2021 begann ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Begeisterung von Juden für Baseball: Die ersten beiden orthodoxen Juden unterzeichneten Verträge für die Major League – Jacob Steinmetz aus Long Island heuerte bei den Arizona Diamondbacks an, und sein Kollege Elie Kligman aus Las Vegas konnte von den Washington Nationals angeworben werden. Beide leben koscher und spielen nicht am Schabbat.
Mehr zum Thema bietet der Dokumentarfilm »Jews and Baseball: An American Love Story« (gesprochen von Dustin Hoffman), erhältlich über Amazon USA.