USA

Welcome back!

Bis 2015 galt der US-Comedian Jon Stewart vielen als Garant für schlaues Fernsehen. Nach neun Jahren Pause kehrt er nun zurück. Foto: picture alliance / newscom

Die Gebete, Regentänze und Powermeditationen wurden erhört. Der Neurochirurg des Polit- und-Weltwahnsinns kehrt zurück in die Daily Show. In einer Zeit des Schlimmer-geht-immer kommt Jon Stewart gerade recht, dessen aufklärerischer Weitblick, intellektuelle Schärfe und knallharter Humor 16 Jahre lang viermal die Woche für ein Fest der Angstbewältigung und des Empowerments durch Einordnung gesorgt haben.

Selbst nach globalen Katastrophen wie 9/11 oder dem Mordanschlag auf die Redaktion des französischen Satire-Magazins »Charlie Hebdo« war Stewart in der Lage, die richtigen Worte auch in die richtige Form zu gießen, während der Rest der Welt noch hilflos im kollektiven heißen Gefühlsbrei herumstocherte.

Die meschuggene Sucht, in allem einen Sinn finden zu müssen

Der so komfortable wie dumpfe Hass hatte bei ihm keine Chance, ebenso wenig die meschuggene Sucht, in allem einen Sinn finden zu müssen. Stewart verabscheute Abkürzungen, nahm immer den ganzen Gedankenweg, dachte die Dinge zu Ende. Und das vor laufender Kamera, während Politiker sich draußen auf die perfekte Beute zur Befeuerung ihres Populismus stürzten. Nicht mit Jon – und so auch nicht mit uns.

Bis zum 6. August 2015 war er da, diese personifizierte Versicherung, dass das Gute, das Vernünftige, das Besonnene wirklich existiert, wenn man sich beim Denken ein bisschen anstrengt. Er wolle endlich mal Zeit mit seiner Familie verbringen, war einer seiner Gründe für den Abgang.

23 Emmys und drei Peabody Awards hat seine Daily Show gewonnen, die in Hochzeiten 2,5 Millionen Zuschauer pro Nacht fand. Bei seinem Nachfolger Trevor Noah waren es zuletzt im Durchschnitt noch 337.000, berichtet die US-Nachrichtenseite »Salon.com«. Was natürlich auch an der fundamentalen Änderung der Sehgewohnheiten lag. Noah hat sich 2022 nach sieben Jahren aus der Daily Show verabschiedet. Seitdem war der Sender auf der Suche nach einer würdigen Nachfolge. Erfolglos.

In Hochzeiten fand Stewarts »Daily Show« 2,5 Millionen Zuschauer pro Nacht.

Doch nun, da die Welt noch um ein paar Diktatoren und solche, die es werden wollen, reicher ist und um viel zu viele Menschen, die denken, bevor sie reden, ärmer, da die Schere zwischen Arm und Reich einem Messer mit zwei Klingen gleicht, und Kriege und Klimakatastrophen nur eine Frage der Zeit scheinen, setzt Jon Stewart sich wieder an seinen Studio-Schreibtisch, um mit dem Stift in der Faust auf seinen Notizen herumzuhämmern, während er die Dinge beim Namen nennt und auf den Punkt bringt. So jedenfalls unsere Hoffnung. Und bitte auch im Anzug.

Mit Brexit, einem Präsidenten Trump, der Covid-Pandemie und dem Horror des 7. Oktober hat er uns alleingelassen. Für Trumps nächsten Versuch, die Welt unter den Reichen aufzuteilen und noch einmal Goldfinger zu spielen, gibt er uns den James Bond des linearen Fernsehens. Wie das Original ein Klassiker! Allerdings auch – das wird wehtun – irgendwie … alt.

»Goldfinger« bei TikTok

Hier kommt eine gemeine Frage: Während die Boomer- und Generation-X-Vertreter, Autorin eingeschlossen, Stewarts eisklare Monologe kaum erwarten können, was bedeutet die Genialität des 61-Jährigen, der die Debattenkultur feiert wie kein anderer, für die Jüngeren, die gerade »Goldfinger« bei TikTok eingegeben haben?

Welchen Wert hat die Begeisterung für das intelligente Wortgefecht und die fast schon religiöse Verehrung des Aufklärungsgedankens vom Beginn der 2000er in den 2020ern, da immer mehr Menschen Gefühle mit Fakten verwechseln?

Zugegeben, bei aller Erleichterung und Vorfreude auf den 12. Februar, ab dem Jon Stewart immer wieder montags auf uns warten wird: Ein einfacher Job wird das nicht. Die Erwartungen sind, gelinde gesagt, gigantisch und wohl so unerfüllbar wie die zweite Runde mit einer alten großen Liebe. Die das hier für viele ja auch ist.

Der jüdische Junge aus New Jersey, der von einer starken, idealistischen Mutter groß gezogen wurde, muss sich neu erfinden. Was die doppelte Gefahr birgt, den alten Fans nicht zu liefern, was diese sich so sehnlich wünschen, und für die Jungen einfach nicht den richtigen Ton zu treffen.

Bei aller Erleichterung und Vorfreude: Ein einfacher Job wird das nicht!

Allerdings hat Jon Stewart – Komiker, Schauspieler, Buchautor, Filmemacher, Produzent (unter anderem The Late Show with Stephen Colbert) und Entdecker von Talenten wie Steve Carell und Trevor Noah, der sich zuletzt mit Apple TV anlegte, weil man ihm in seiner dortigen Show The Problem with Jon Stewart Denkvorgaben machen wollte – schon einmal die Late-Night-Show revolutioniert. Man sollte ihn also nicht unterschätzen.

Ja, die Welt ist eine andere nach neun Jahren – vor allem nach diesen neun Jahren. Aber Stewart, der auch ausführender Produzent der neuen Daily Show ist, weiß das besser als jeder, der dies gerade schreibt, und vielleicht auch deshalb kommt er nicht allein. An den restlichen Tagen der Woche übernehmen andere Hosts die Show, darunter jüngere Talente wie Jordan Klepper, Dulcé Sloan und Ronny Chieng. Das ist noch lange nicht Gen-Z-kompatibel, aber doch auch eine Anerkennung der so brutal geschrumpften Aufmerksamkeitsspanne.

Ausstrahlung auf Comedy Central und Streamen auf Paramount+

Am Tag nach jeder Ausstrahlung auf Comedy Central wird die Show auf Paramount+ zum Streamen bereitstehen. Und Stewart wäre nicht Stewart, wenn er den neuen Bedingungen nicht Rechnung trägt. Dazu gehört auch, dass in Zeiten der permanenten Abrufbarkeit und des Content-Zerhäckselns der eine feste Host so nötig ist wie die Fernsehantenne auf dem Dach.

Das Spannende wird also nicht nur sein, was der Mann mit der Vorliebe für das F-Wort zum Dreck-Weitwurf während des US-Präsidentschaftswahlkampfes zu sagen haben wird, sondern auch, wie Late Night im Jahr 2024 aussehen sollte.

Hauptsache, er bleibt seinem alten Motto treu: »Ihnen wird im Leben wenig begegnen, das nicht Schwachsinn enthält. Die beste Verteidigung gegen Schwachsinn ist Wachsamkeit. Wenn Ihnen etwas komisch vorkommt, sagen Sie es!«

Syrien

Gouverneur von Damaskus: »Unser Problem ist nicht Israel«

Der von der HTS-Miliz eingesetzte Gouverneur von Damaskus sprach in einem Interview deutlich wohlwollend über den jüdischen Staat

 29.12.2024

Interview

»Es war ein hartes Jahr«

Yana Naftalieva über das Treffen der World Union of Jewish Students in Berlin, Antisemitismus an Universitäten und ihre Wünsche für 2025

von Joshua Schultheis  27.12.2024

Ukraine

Selenskyj: »Sieg des Lichts über die Dunkelheit«

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj entzündete zusammen mit Rabbinern die erste Chanukka-Kerze

 27.12.2024

Gerichtsurteil

Haftstrafen für Gewalt gegen Israelis in Amsterdam

In digitalen Chat-Gruppen war der Anklage zufolge zu einer »Jagd auf Juden« aufgerufen worden

 24.12.2024

Kanada

Jüdische Mädchenschule in Toronto zum dritten Mal beschossen

Auch im vermeintlich sicheren Kanada haben die antisemitischen Angriffe extrem zugenommen - und richten sich sogar gegen Kinder

 23.12.2024

Bulgarien

Kurzer Prozess in Sofia

Der jüdische Abgeordnete Daniel Lorer wurde von seiner Partei ausgeschlossen, weil er nicht zusammen mit Rechtsextremisten stimmen wollte

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Großbritannien

Gerechtigkeit und jüdische Werte

Sarah Sackman wurde als frisch gewählte Abgeordnete zur Justiz-Staatsministerin ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  23.12.2024

Spanien

Tod in den Bergen

Isak Andic, Gründer der Modekette Mango und Spross einer sefardischen Familie aus der Türkei, kam bei einem Familienausflug ums Leben

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Australien

»Juden raus«-Rufe vor Parlament in Melbourne

Rechtsextremisten haben vor dem Regionalparlament in Melbourne antisemitische Parolen skandiert

 23.12.2024