Eine fruchtbare Symbiose aus schlechtem Gewissen und Tourismusmarketing findet man selten. Beim kulturhistorischen Netzwerk der Judenviertel Spaniens ist dies der Fall: Die spanischen Touristiker haben in insgesamt 21 Städten, in denen seit der Inquisition und Vertreibung im Jahre 1492 kaum noch Juden leben, Spuren gesucht und mit dem Titel »Wege durch Sefarad – Netzwerk der Judenviertel Spaniens« thematisch unter einen Hut gebracht.
21 Städte Es war keine leichte Aufgabe, die Stätten früheren jüdischen Lebens, wie etwa ehemalige Synagogen und Mikwen, aufzuspüren. Seit der Gründung des Netzwerks 1995 hat es 16 Jahre gedauert, um aus dem anfangs nur drei Städte umfassenden Projekt eine Gruppe von 21 Teilnehmern zu organisieren. »Durch die Ereignisse vor mehr als 500 Jahren war es nur wenigen heutigen Kommunen bewusst, welcher Reichtum ihnen damals verloren gegangen ist. Wir haben unsere Geschichte wieder zum Leben erweckt«, sagte Luis Maria Beamonte Mesa, Präsident der »Red de Juderías de Espana – Caminos de Sefarad« bei der Vorstellung des Netzwerkes in Wien. In vier europäischen Städten wurde das ambitionierte Programm kürzlich präsentiert.
»Die Spuren derer, die Seite an Seite liefen, können niemals verwischt werden«, lautet die Inschrift unter einer großen Menora auf der Plaza de los Huérfanos in der Stadt Jaén in Andalusien. Hier werden Juden erstmals im Jahre 612 erwähnt, im Mittelalter stellten sie zeitweise bis zu zehn Prozent der Bevölkerung. Obwohl das Judenviertel nach der Zwangskonvertierung zum Christentum de facto nicht mehr existierte, war die Zahl der »Judaizantes« noch so groß, dass ein Inquisitionsgericht hier bis ins 18. Jahrhundert Prozesse gegen heimlich praktizierende Juden führte.
Zum Netzwerk, das 2011 insgesamt 350 kulturelle Veranstaltungen organisierte, gehören außer Jaén und Hervás noch die Städte Ávila, Barcelona. Besalú, Cáceres, Calahorra, Córdoba, Estella-Lizzara, Girona, León, Monforte de Lemos, Oviedo, Palma de Mallorca, Plasencia, Rivadiva, Segovia, Tarazona, Toledo, Tortosa und Tudela.
Überall hier begegnet man steinernen Zeugen einer einzigartigen Blütezeit mit seinen jüdischen Philosophen, Medizinern, Mathematikern, Künstlern und Gelehrten. Darüber trösten auch die gut gemeinten Worte von Spaniens König Juan Carlos nicht hinweg: »Sefarad ist keine Sehnsucht mehr, sondern ein Ort, von dem man nicht sagen kann, dass die Juden sich wie zu Hause fühlen, weil die spanischen Juden hier zu Hause sind.«