Die Mehrheit der europäischen Juden fühlt sich laut einer Studie keiner der jüdischen Strömungen besonders verbunden. Die Erinnerung an den Holocaust spiele für ihre jüdische Identität eine weitaus wichtigere Rolle als die Unterstützung Israels oder der Glaube an Gott, ergab die am Mittwoch veröffentlichte Studie des Londoner Institute for Jewish Policy Research zur jüdisch-europäischen Identität, wie die Zeitung »Haaretz« berichtet.
Die Studie basiert auf Daten von rund 16.000 Juden in zwölf Ländern der Europäischen Union, darunter Deutschland und Österreich. Erhoben wurden sie laut Bericht 2018 im Rahmen einer von der EU in Auftrag gegebenen und bislang unveröffentlichten Studie zu jüdischen Wahrnehmungen und Erfahrungen mit Antisemitismus.
Laut der Studie ist die Mehrheit der europäischen Juden nicht religiös praktizierend.
Belgien hat unter den zwölf Ländern den höchsten Anteil religiöser Juden in Europa, während der Anteil an Juden reformjüdischer Strömungen in Spanien am höchsten war. Die größten jüdischen Gemeinden dort haben Frankreich und Großbritannien, die kleinste Gemeinde hat Dänemark.
SEDER Laut der Studie ist die Mehrheit der europäischen Juden nicht religiös praktizierend, sieht sich aber dennoch eher als religiöse denn als ethnische Minderheit. Demnach nimmt die Mehrheit der europäischen Juden an einem Pessach-Seder teil und fastet an Jom Kippur, besucht aber nicht regelmäßig eine Synagoge, hält sich nicht an die jüdischen Speisevorschriften und hält nicht den Schabbat.
Fünf Prozent bezeichneten sich demnach als strengreligiös (ultraorthodox), acht Prozent als religiös (orthodox) und 15 Prozent als progressiv- oder reformjüdisch. Der Anteil der religiösen oder strengreligiösen europäischen Juden sei unter den Jüngeren weitaus höher. Die Mehrheit identifizierte sich mit keiner der Strömungen, sondern bezeichnete sich als »einfach jüdisch« (38 Prozent) oder »traditionell« (24 Prozent).
UNTERSCHIEDE Signifikante Unterschiede bei der religiösen Selbstzuordnung ließen sich laut Bericht in den verschiedenen Ländern ausmachen. Demnach bezeichneten 31 Prozent der Juden in Belgien als strengreligiös, während ihr Anteil in Dänemark, Schweden und Spanien unter ein Prozent lag.
Die Unterstützung Israels und das Feiern jüdischer Feste ist rund 50 Prozent sehr wichtig.
Progressive und Reformjuden machen in Spanien, Deutschland und den Niederlanden 20 Prozent oder mehr der jüdischen Gesamtbevölkerung aus, in Belgien hingegen acht und in Ungarn fünf Prozent.
Für die jüdisch-europäische Identität besonders wichtig ist laut der Studie die Erinnerung an den Holocaust (78 Prozent) sowie der Kampf gegen Antisemitismus (73 Prozent). Die Unterstützung Israels und das Feiern jüdischer Feste ist rund 50 Prozent sehr wichtig. Als sehr wichtig bezeichnete rund ein Drittel den Glauben an Gott.
Gleichzeitig gaben 35 Prozent der Befragten an, sich vor allem aufgrund der Religion als jüdisch zu sehen, während die ethnische Zugehörigkeit bei 9 Prozent das wichtigste Element bei der Zugehörigkeit zum Judentum ausmacht. kna/ja