Kanada

Wahlheimat Ontario

Es ist Freitagnachmittag, Yoav und Lariz Misrahi, die vor 30 Jahren von Israel nach Kanada ausgewandert sind, kaufen im Sobeys Kosher Market für den Schabbat ein. Das riesige Einkaufszentrum befindet sich in Thornhill, nördlich von Toronto, wo Hebräisch genauso oft gesprochen wird wie Englisch. »Ich fühle mich kanadisch, aber im Herzen werde ich immer Israeli sein«, sagt Yoav Misrahi. Er spricht damit vielen Landsleuten aus der Seele, die sich in Kanada niedergelassen haben.

Zwischen 50.000 und 60.000 Israelis leben hier, die große Mehrheit von ihnen in Toronto und Umgebung. Ein beträchtlicher Teil dieser Einwanderer hat seine Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion. In letzter Zeit war die Zuwanderung besonders stark. Jedes Jahr zogen rund 2.000 Personen in die Stadt am Lake Ontario. Laut dem israelischen Konsulat kehren allerdings etwa 700 Israelis pro Jahr wieder nach Hause zurück. Immer nach Krisen und in Zeiten von Veränderungen hat die Zahl der israelischen Einwanderer zugenommen.

Die meisten Israelis in Toronto sind im Import-Export-Bereich, der Hightech-Branche oder als Ingenieure tätig. Auch im Ausbildungs- und Erziehungswesen, in naturwissenschaftlichen Berufen und in Kunst und Kultur arbeiten viele von ihnen. Kanada ist unter anderem deshalb beliebt, weil – im Gegensatz zu den USA – ein Arbeitsvisum relativ leicht zu erhalten ist. Die jüdische Gemeinschaft in Toronto gehört mit rund 200.000 Mitgliedern zu den größten Nordamerikas.

Integration »Die meisten Israelis hier sind zwischen 35 und 40 Jahren alt und häufig in ihrem Beruf sehr erfolgreich«, sagt Galya Sarner, die Direktorin des Israeli Canadian Project. Die Initiative der jüdischen Dachorganisation UJA Federation ist die Antwort auf eine im Jahr 2005 durchgeführte Studie. Diese kam zu dem Schluss, dass sich die eingewanderten Israelis von der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen fühlten, der Wunsch, sich aktiv zu beteiligen aber stark ausgeprägt ist.

Dank des Projekts sollen die Zuwanderer in Torontos jüdische Gemeinschaft integriert werden. »Wir fordern jedoch nicht, dass Israelis ihrem Land den Rücken kehren«, betont Sarner. Angesprochen ist dabei auch die zweite Generation, die bereits in Kanada aufgewachsen ist. Das Programm umfasst Hebräischunterricht für Grundschüler, ein hebräisches Theater, einen Literaturklub und Treffen zwischen jüdischen Kanadiern und Israelis. Weiter ermuntert die Initiative die rund 600 israelischen Studenten in Toronto, an Austauschprogrammen mit israelischen Universitäten teilzunehmen.

Dass das Projekt auch vom israelischen Konsulat unterstützt wird, ist ein Hinweis darauf, dass sich die Jerusalemer Regierung zunehmend damit abfindet, dass sich eine gewisse Anzahl ihrer Bürger in anderen Ländern niederlässt.

Vielfalt Die Motive für den Umzug nach Toronto und die Dauer des Aufenthalts sind sehr unterschiedlich. Doch manches haben die meisten israelischen Einwanderer gemeinsam: Sie besuchen, sofern die finanziellen Möglichkeiten es erlauben, regelmäßig ihr Herkunftsland, schicken ihre Kinder auf eine jüdische Schule und sprechen mit ihnen zu Hause Hebräisch. Yoav Misrahi beschreibt das Dilemma vieler seiner Landsleute: »In Israel ist das Leben härter als hier, aber dafür ist man dort einfach viel glücklicher und erfüllter.«

Er hat sich für mehr Komfort entschieden und sich im Laufe der Jahrzehnte gut integriert. Andere Israelis sind nur vorübergehend in Toronto. So wie Oren Sukenit, er ist Schaliach, Gesandter des Jugendbunds Habonim Dror und hat einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag. Er ist vor allem mit Israelis und jüdischen Kanadiern in Kontakt und freut sich auf die Rückkehr nach Israel. »Ich fühle mich mit Kanada kaum verbunden, ich bin nur wegen der Arbeit hier«, sagt er.

Morli Shoshan kam bereits als Kind nach Kanada, ihre Eltern wanderten aus, weil ihr Vater in Israel keinen Job fand. Shoshan fühlt sich wohl in Toronto, aber ihre Verbindung zu Israel sei so stark wie eh und je. »Als ich jünger war, habe ich mir überlegt zurückzukehren«, sagt die 43-Jährige. »Aber wenn ich hier in Thornhill umhergehe, fühle ich mich sowieso wie in Israel«, scherzt sie. »Für mich wäre es aber ganz in Ordnung, wenn meine Töchter eines Tages zurückgingen.«

Armee Der 13-jährige Oriel Kavessa ist sich schon jetzt sicher, dass er, wenn er erwachsen ist, nach Israel zurückkehren wird. Jeden Sommer reist er dahin, und im Gegensatz zum kalten Kanada habe er dort immer ein Lächeln auf dem Gesicht, sagt er. »Ich möchte später auf jeden Fall in die israelische Armee gehen«, fügt er selbstbewusst hinzu.

Doch es gibt auch Zuwanderer, die froh sind, in Kanada, weit entfernt von der mitunter schwierigen Realität des Nahen Ostens zu sein. Dazu gehören etwa ehemalige Soldaten, die auch Jahre später noch unter traumatischen Erfahrungen leiden, die sie während des Militärdienstes gemacht haben. Andere wiederum fühlen sich mit der kanadischen Mentalität einfach wohler.

Kurzum: Israelis kommen aus ganz unterschiedlichen Motiven nach Toronto. Die einen möchten sich beruflich weiterbilden und bald wieder zurück. Andere sind auf der Suche nach Ruhe und Sicherheit, sie wollen sich langfristig niederlassen. Laut Sarner gibt es auch solche, die ihren Aufenthalt in der Großstadt als Abenteuer sehen. Schließlich halten aber alle irgendeine Art von Verbindung mit ihrem Ursprungsland aufrecht. »Obwohl sie Israel verlassen haben, möchten sie die dortige Kultur leben und sie ihren Kindern weitergeben«, sagt Sarner. »Ich kenne keinen, der nicht irgendwann davon träumt, in seine Heimat zurückzukehren.«

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025