Auf dem Dach des Bundeskanzleramts in Wien weht die israelische Flagge. Davor standen in den vergangenen Tagen immer wieder eine Handvoll Leute mit palästinensischen Fahnen. Auch in Wien gab es am Samstag und Sonntag propalästinensische Kundgebungen. Autos mit der palästinensischen Fahne waren zu sehen.
Dies seien Leute, »die sich für Terror und gegen Leben entschieden haben«, sagt Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG). Den Angriff der Hamas auf Israel nennt er einen »Anschlag von Sadisten«. Und er sagt: »Wir machen weiter.« Das jüdische Leben sei am vergangenen Samstag weitergegangen, und es werde auch jetzt weitergehen. »Es gibt das Demonstrationsrecht in Österreich«, sagt Deutsch zu den Kundgebungen in Wien. Diese Kundgebungen hätten zwar nichts in Österreich verloren, doch gelte das Recht, Demonstrationen abzuhalten.
Schutz jüdischer Einrichtungen massiv verstärkt
Als emotional, aber friedlich beschrieb die Polizei die Kundgebungen unterm Strich. Pikant sind allerdings die Details. Etwa dieses: Mehrere Autos mit palästinensischer Beflaggung kreisten Augenzeugen zufolge am Samstagabend »feiernd« im zweiten Bezirk. Das ist kein Zufall: »Der Zweite« ist ein stark jüdisch geprägter Teil der Stadt, in dem sich auch viele jüdische Einrichtungen befinden. Aber bereits zuvor hatten die österreichischen Sicherheitskräfte den Schutz jüdischer Einrichtungen massiv verstärkt.
Österreichs jüdische Gemeinde ist alarmiert. Es wird zu Wachsamkeit aufgerufen. Auch die Israelitische Kultusgemeinde hat ihrerseits den Schutz von Objekten verstärkt. »Die Sicherheitskräfte der IKG arbeiten dabei eng mit Verfassungsschutz, Polizei und Bundesheer zusammen«, heißt es in einer auf der Website der IKG veröffentlichten Stellungnahme. Da findet sich auch der Hinweis, Eingangstüren stets geschlossen zu halten und sich nicht unmittelbar vor einem Eingang zu versammeln. Synagogen halten den Betrieb aber aufrecht; der Unterricht an jüdischen Schulen geht weiter – jedoch mit der Einschränkung, dass bis auf Weiteres keine Ausflüge stattfinden.
Österreichs jüdische Gemeinde ist alarmiert. Es wird zu Wachsamkeit aufgerufen.
Außerdem hat der psychosoziale Dienst ESRA eine Hotline eingerichtet. »Wir müssen vielen Eltern erklären, welche Unmenschlichkeit hier stattgefunden hat und wie man das Kindern beibringen kann«, sagt Oskar Deutsch dazu.
Unruhige Jahre hat die jüdische Gemeinde in Österreich in diesem sonst eher ruhigen Land hinter sich. Da war ein massiver Anstieg antisemitischer Übergriffe im Zuge der Pandemie. Da gab es einen gezielten Messer-Mord an einer Straßenbahnstation. Und da war vor allem auch der islamistisch motivierte Anschlag in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020.
Antisemitische Übergriffe
Dieser Anschlag sowie eine Reihe spektakulärer antisemitischer Übergriffe (etwa der Angriff auf die Synagoge in Graz im August 2020) waren auch der Anlass dafür, dass die staatliche Förderung für jüdische Einrichtungen Ende 2020 von 1,3 Millionen auf vier Millionen Euro erhöht wurde. Das Geld soll zu einem Teil dem Schutz jüdischer Einrichtungen dienen.
Die Kooperation zwischen österreichischen Sicherheitsbehörden und Einrichtungen des Staates Israel sei »seit Jahrzehnten erprobt«, so Innenminister Gerhard Karner laut einer Presseerklärung. Er versicherte: »Der Verfassungsschutz geht konsequent gegen jede Form von islamistischem Extremismus und Terrorismus vor.«
Bei der IKG in Wien ist man jetzt dabei zu sondieren, abzuwägen und auszuloten, wie es weitergeht. Für Mittwoch war eine Gedenkzeremonie für die von den Hamas-Terroristen Getöteten geplant – Details waren allerdings bis zuletzt unbekannt. Unklar ist auch, ob der für Ende Oktober geplante Tag der offenen Tür in der Wiener Gemeinde stattfinden wird. Man habe darüber noch nicht im Detail gesprochen, sagt Deutsch, grundsätzlich aber »findet zurzeit alles statt«.