In Mexiko war es nur einen einzigen Tag für die Öffentlichkeit zugänglich – aber die Einwohner von Mexiko-Stadt waren die Ersten, die es zu Gesicht bekamen: das fünf Meter hohe und 44 Meter breite Wandgemälde des mexikanischen Malers Julio Carrasco Bretón, das die 4000-jährige Geschichte des israelischen Volkes zusammenfasst. Das Gemälde trägt den Titel »Am Yisrael chai« (Das Volk Israel lebt) und wird bald dauerhaft in Israel zu sehen sein.
Das Werk wurde von dem mexikanischen Geschäftsmann Isaac Assa Farca, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde des Landes, als Geschenk an das Volk Israel bei dem Maler in Auftrag gegeben. Präsentiert wurde es in der vergangenen Woche im Rahmen eines Festakts zum 75. Jahrestag der Gründung Israels im jüdischen Kulturzentrum »Monte Sinai« in Mexiko-Stadt.
gemeinsamkeiten Neben dem Maler und dem Sponsor waren der israelische Botschafter in Mexiko, Zvi Tal, und Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard anwesend. In einer kurzen Ansprache hob Ebrard die Gemeinsamkeiten zwischen dem mexikanischen und dem israelischen Volk hervor. Mexiko habe der jüdischen Gemeinschaft die Tür geöffnet, »wie könnten wir uns da nicht verstehen«, sagte er.
Das 220 Quadratmeter große Wandgemälde sei eine lineare Verdichtung der 4000 Jahre des Volkes Israel aus einer epischen und historischen Perspektive, beschreibt Carrasco in einem Interview mit der mexikanischen Tageszeitung »La Jornada« sein Werk. Es erzähle vom Ursprung des jüdischen Volkes, vom Exodus, der Diaspora »und der Unterdrückung, die es von der Zeit der ägyptischen Pharaonen und des Römischen Reiches bis zum Holocaust erlitten hat«, sagte er.
Die Geschichte in chronologischer Reihenfolge zu malen, sei eine Herausforderung gewesen, denn aus Sicht der Kompositionstheorie müsse die Geschichte »visuelle Brüche aufweisen, aber auch Flüssigkeit, Rhythmus, Bewegung; sie darf nicht starr und steif sein«.
genugtuung Das Werk zeigt 57 jüdische Persönlichkeiten von König David über David Ben Gurion, Anne Frank und Albert Einstein bis zu Schimon Peres. Auch eine mexikanische Flagge hat Carrasco mit in sein Bild gemalt. Es erfülle ihn mit großer Genugtuung, dass er als mexikanischer Künstler zur Identität anderer Völker beitrage. Er male für Völker, nicht für Regierungen. »Die Regierungen gehen unter, aber die Völker bleiben bestehen«, sagt Carrasco, dessen Werke sich in Europa, Afrika und Lateinamerika finden.
Der Künstler bezeichnet es als »sehr schmeichelhaft«, dass man ihn für diese Aufgabe ausgewählt habe, obwohl er weder in Israel geboren noch jüdisch ist.
Er habe völlige künstlerische Freiheit gehabt. Trotzdem war die Arbeit »eine große Herausforderung, weil es in Israel kein Wandgemälde dieser Art gibt, das das Judentum in seiner Gesamtheit darstellt. »Es war nicht einfach, eine 4000 Jahre alte Geschichte fließend zu verweben und sie mit figurativen Elementen in einer ikonografischen Sprache zu erfassen«, sagte er in dem Interview.
TECHNIK Für den Untergrund verwendet er eine ganz eigene Technik, die er selbst erfunden hat und patentieren ließ. Als Hommage an seinen Vater, Julio Carrasco Rojo, nennt er sie die »Carrasco-Isoplastik«. Dabei handelt es sich um Platten aus Silikon und pulverisiertem Marmor, die zum einfachen Transport aufgerollt und gestapelt werden können.
Das ist nötig. Denn nach der kurzen Ausstellung in Mexiko-Stadt wird das monumentale Gemälde nun nach Israel verschifft. Dort soll es am 22. Juni auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion im Rahmen der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen des Staates in Anwesenheit von Israels Staatspräsident Isaac Herzog enthüllt werden. Es wird erwartet, dass dann jährlich rund 27 Millionen Menschen das Wandgemälde sehen werden.